
Großartige Erlebnisse schmücken meine Tage. Die Menschen die ich treffe machen dabei einen Großteil aus. Es ist vor allem interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die Menschen sind, obwohl sie nur durch eine willkürlich gezogene Linie voneinander getrennt leben. In Rumänien grüßt jeder wenn ich vorbeifahre und das sind eine Menge Leute. Das halbe Land scheint nur davon zu leben vor dem Haus zu sitzen und auf zufällig vorbeiradelnde Abenteurer aus aller Herren Länder zu warten. Besonders krass ist es wenn Schulschluss ist und die Schüler rechts und links stehen und einen abklatschen. Ein unglaubliches Gefühl, auch wenn es manchmal schon in Anstrengung ausartet. Gut, kann auch sein, dass es daran liegt, dass es mal wieder einen der vielen Hügel rauf geht.
Jeder der schon mal eine Radtour unternommen hat weiß, dass der Spaß oder Frust bei so einem unterfangen stark vom Wetter und dem Wind abhängt. Diesem Naturgesetz kann auch ich mich nicht entziehen und so fluche ich schon so einiges Mal über den teilweise sehr starken Wind und bin wieder versöhnt wenn ich ihn im Rücken habe. Ein Tag in Rumänien hat alle Rekorde gebrochen. Ich bin morgens aufs Rad gestiegen und ohne etwas zu tun hat mich ein unglaublicher Westwind direkt angetrieben. Ich hatte Glück, denn ich musste den ganzen Tag über schnurgerade gen Osten radeln. Zum Mittagessen hatte ich bereits meine eigentliche Tagesetappe von etwas über 100 Km hinter mir. Ein Blick in meine Karte sagte mir, dass die nächste Unterkunft 40 km weit entfernt ist. Lächerlich, das hab ich in nicht mal 1,5 Stunden geschafft. So einen Wind muss ich nutzen so lang die Strecke noch entsprechend verläuft. Also nochmal 35 Km weiter. Das war in einer Stunde erledigt. In Summe habe ich den Lastkarren an dem Tag über 183,6 Km in 6 Stunden und 41 Minuten gepeitscht. Das war eine Fahrt.
Am nächsten Tag überquere ich die Grenze nach Bulgarien. Dort fallen mir direkt zwei Dinge auf, es gibt tatsächlich Bäume in Osteuropa, die habe ich seit Tagen kaum gesehen und die Menschen sind wesentlich reservierter als die, die ich in Rumänien gesehen habe. Im Gegenzug gibt es hier eigentlich kaum Hunde. Also ein klarer 2:1 Sieg für Bulgarien. In Ruse hatte ich mir eine kleine Pension zur Übernachtung im Internet ausgeguckt. Nach einer Irrfahrt durch die Stadt und einem Spaziergang mit einem Bulgaren bin ich endlich da. Was ich nach den ganzen komplett leeren Unterkünften nicht bedacht hatte ist, dass hier ausgerechnet in der Nacht eine Gruppe Studenten aus einem noch reservierteren Land abgestiegen sind. Da es auch sonst nicht so gut mit Unterkünften in dem Städtchen aussieht, lässt mich die Besitzerin im Frühstücksraum übernachten. Gut, es riecht etwas verbrannt, was aber wohl weniger an ihren Kochkünsten, als an dem offenen Kamin in dem Raum liegt. Ich fand es schon erstaunlich, dass so etwas in einem Kellerraum ohne Fenster überhaupt genehmigt wird. Wahrscheinlich muss ich aber auch mal die deutsche Bürokratenbrille absetzen. Nach einem Rundgang durch die Stadt und einem vorzüglichen Abendessen kehre ich in mein Schlafgemach zurück. Ich gebe zu, dass ich etwas überrascht war, was ich dort zu sehen, bzw. zu riechen bekam. Die Freundliche Besitzerin des Ladens hat es sich mit einer Zigarette, oder besser einer Schachtel und ihrem Abendessen am gemütlich prasselnden offenen Kamin gemütlich gemacht. An alle Hobbywetterfrösche unter Euch, ich hab an dem Tag bei +26° in der Sonne auf meinem Fahrrad geschwitzt. Warum tut man dann so etwas, besonders wo ich doch da schlafen sollte? Es war sicher der Sauerstoffmangel der mich hat, trotz der olfaktorischen Einflüsse, einschlafen lassen. Lang war die Nacht nicht, da ich ja vor den Stullen aufstehen musste, dafür war die Übernachtung aber wenigstens gratis.
Nach meinem ersten Regentag, bin ich dann in Varna angekommen. Im Hostel treffe ich zwei Schweizer, die auch mit dem Rad unterwegs sind. Das waren zwei tolle Abende mit den Beiden, auch wenn für einen Moment etwas Wehmut bei mir aufkommt, weil das Radeln bald ein Ende hat. Die Gespräche bestärken mich jedoch wieder in meiner Entscheidung. Zu meinem Abschied hat mir ein wahrer Pedalguru gesagt, dass mein Größtes Problem ist, dass ich „keine“ Zeit habe. Klingt etwas nach einem leicht größenwahnsinnigen Luxusproblem, aber es stimmt. Was die Beiden an Zeit aufwenden müssen um an Visa zu kommen, den Winter zu überstehen, oder eine Fähre ins nächste Land zu nehmen, die Zeit habe ich wirklich nicht.
Unter diesem „Zeitdruck“ geht es dann für mich wieder auf das Rad, auf zur Türkischen Grenze. Eine traumhafte Kulisse wird mir dabei geboten, aber das muss ich mir auch mit ordentlich Höhenmetern erstrampeln. Auf ca. 700m Höhe ist sie dann erreicht, die Grenzstation Malko Turnele. Eigentlich ist der Grenzübertritt eine Sache von Minuten, aber alle tummeln sich um mein voll bepacktes Rad, wollen wissen wo ich her komme und wie weit das ist. Die Abfertigung der hinter mir wartenden Autos verzögert sich entsprechend. Dann geht es weiter und plötzlich ist die „Rumänische“ Freundlichkeit und Offenheit wieder da.
In einem kleinen Ort beziehe ich ein Zimmer im einzigen Hotel. Die Übernachtung ist spottbillig und vor meinem Fenster ist ordentlich was los. Es ist Markt und es wird gebrüllt und gefeilscht, wie man sich das so vorstellt. Die Neugier zieht mich direkt wieder auf die Straße, natürlich mit der Kamera bewaffnet. Ich komme kaum vorwärts, weil alle möglichen Leute unbedingt fotografiert werden wollen, oder einfach nur neugierig sind wo ich her komme. In einer Gruppe von Leuten findet sich auch ein Mädel aus Hannover, die mir mit ihrer Freundin direkt die ganze Stadt zeigt. Im Stadtpark gibt es dann eine Art Crêpe mit Schafskäse und Tee. Zum Sonnenuntergang gehe ich dann auf einen kleinen Hügel um zu fotografieren. Auf dem Rückweg werde ich von einem Imbissbesitzer erneut zum Tee eingeladen. Auf dem Markt kaufe ich mir dann mein Abendessen, gut kaufen kann man das wohl nicht nennen. Am Ende einer fast endlosen Fotosession und vielen Gesprächen stehe ich mit einer randvollen Tüte Obst und Gemüse in meinem Zimmer. Bezahlt habe ich nur ein paar Tomaten, der Rest waren Geschenke für den Kollega aus Allemagne. Ein tolles Erlebnis. Um 9 Uhr wollen die Mädels nochmal vorbeikommen und mich mit auf eine Hochzeit nehmen. Ich bin etwas über die unerwartete Lockerheit der Eltern erstaunt, aber rechne auch nicht so recht damit, dass etwas daraus wird. Erstaunlicherweise klopft es um 10 Uhr wirklich noch an meine Tür. Ich werde tatsächlich noch abgeholt. Hinter den Beiden steht ein aufgeregter Nachtwächter des Hotels, für den die Kombination männlicher Tourist, zwei Frauen und die Uhrzeit wohl so etwas wie Vermischung der Zutaten für Sprengstoff sind. Die Hochzeit war ein tolles Erlebnis, unglaublich viele Gäste, ausgefallene Bräuche und ungewohnte Musik. Ich treffe noch einen weiteren auf Hannover stammenden Türken und wir quatschen noch ein wenig beim dritten Glas Tee für den Tag. Mein Teekonsum hier nimmt für einen Nichtteetrinker noch exorbitante Ausmaße an. Ein toller Tag und viele interessante Eindrücke. Ich bin überrascht über die Offenheit und Freundlichkeit, die ich erfahren habe. Um kurz nach 1 klopft es wieder an meiner Tür. Was nun? Langsam reicht es mit Besuch. Als das Klopfen vehementer wird, entschließe die Tür doch nochmal zu öffnen. Schnell packe ich meinen mit Muskeln bepackten Oberkörper wieder in ein T-Shirt. Ich denke die Lockerheit der hiesigen Leute hat auch Grenzen. Aber wer hat um die Zeit noch Sehnsucht nach mir? Also Tür auf und vor mir steht wieder ein wild gestikulierender Nachtwächter. Hm die Situation hatte ich schon mal, nur dass dieses Mal die Mädels fehlten. Das Ende vom Lied war auf jeden Fall, dass ein vom Tee benebelter ins Hotel gekommen ist und behauptet hat, dass ich den beiden Mädels in meinem Zimmer an die Wäsche gegangen bin. Interessant, woher dieser ominöse Fremde diese Information hat? Gut, dass der Nachtwächter immer in der Nähe war und somit der Krawalllustige garnicht erst in meine Nähe gekommen ist. Kommt so eine Reiserücktrittsversicherung eigentlich auch dafür auf, wenn man die weitere Reise nicht antreten kann, weil man in Untersuchungshaft sitzt? Wie so ein Vollidiot den ganzen positiven Eindruck eines Tages wieder mit Dreck beschmieren kann. Egal, es ist ja nochmal gut gegangen. Jetzt bin ich in sicherer Entfernung.
Am Folgetag ging es dann wieder mit den positiven Eindrücken weiter. Zwecks Übernachtung suche ich mir wieder ein Hotel. Die sind hier einfach super preiswert und da lohnt es nicht über Alternativen Nachzudenken. Nicht in diesem Fall, für die Bruchbude wollten sie den solventen Touri mal so richtig melken. Ist ja auch immer einfach, wenn man nur türkisch spricht und das in einem Hotel. Nicht mit mir, ich hab den Rückwärtsgang eingelegt und bin weitergefahren. In einigem Abstand habe ich dann Leute auf der Straße nach einem Hotel gefragt. Die Frage war schon mal eine Einladung zur Suppe wert. Während ich diese genüsslich gelöffelt habe, konnte ich den Leutchen erklären, dass das Hotel, was sie mir da ans Herz legen wollen, nur Kurse stellt, die zum Kauf des ganzen Bunkers reichen würden. Mit ein paar Worten ausgeschmückt wird meine Preisvorstellung für eine Nacht auf einen Zettel geschmiert. Diesen und eine Visitenkarte vom Suppenspender dabei und ich soll nochmal zum Schlaftempel. Die Blicke als ich wieder in das Hotel kam waren klasse. Ah, hat der Kleine nichts anderes gefunden? Ja macht ihr mal Eure Witzchen über mich, aber ich bin vorbereitet. Ich drücke den Zettel samt Visitenkarte in die Hand der Dame an der Rezeption. Eine etwas unübliche Vorgehensweise, hat aber funktioniert. Ohne Diskussion oder sonst ein Gerede bekomme ich das Zimmer zu dem Kurs auf dem Zettel. Warum denn nicht gleich so? Ich hoff nur, dass ich jetzt nicht auf Ewigkeiten in der Schuld eines Mafiaclans stehe.
Bei Regen und nur noch 4 (zuvor 27) Grad geht es weiter nach Istanbul, der Pforte nach Asien. Den Bericht bekommt Ihr die Tage, es muss ja spannend bleiben.
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