Die Andenstaaten

Die letzten Wochen waren unglaublich. Wie ein artesischer Erlebnisbrunnen sprudeln die Eindrücke dieses Planeten in meinen Impressionsspeicher. Los geht es in Lima nach Aufnahme unserer Mietkutsche. Ein riesiges Labyrinth aus Straßen und Brücken stellt sich zwischen uns und das ersehnte Ziel, die Panamericana Sur. Es geht hektisch zu, jeder hat die unbändige Angst, der andere Autofahrer könnte sein Ziel 5 Sekunden langsamer erreichen, als die Anderen. Das Ergebnis ist ein heilloses Verkehrschaos. Wie sich später herausstellt, hatten wir noch das Schonprogramm abbekommen, da Feiertag war. Irgendwann war sie dann erreicht, die Paamericana, auf der es durch karge Wüstenlandschaft gemächlich gen Süden Rollte. An den seltsamsten Stellen haben die Einheimischen Hütten aus Bambus mitten in die Wüste gebaut und eine Art Grundstücksbegrenzung aus kleinen Steinen hinzugefügt. Der Sinn wollte sich mir nicht so recht erschließen. Entweder besteht bei den Leuten die Hoffnung noch irgendetwas Wertvolles zu finden, oder diese Plätze der Einöde werden als Reue und Bußplätze für flegelhaftes Verhalten im Beziehungsleben genutzt. Selbst nach intensivem Studium fremder Kulturen werden sich wohl nie alle Geheimnisse klären lassen.

Die erste Nacht haben wir dann in einer kleinen Oase verbracht, die umringt von gigantischen Dünen ist. Mal sehen, wie lange sich dieser winzige Fleck Zivilisation noch gegen die erdrückenden Sandmassen wehren kann. Der Aufstieg auf einen dieser Silikatansammlungen entpuppte sich auf jeden Fall als extrem schweißtreibendes Unterfangen. Nach einer großzügigen Wiedergutmachungsmaßnahme, man könnte sie auch als Frühstück bezeichnen, geht es weiter. Im vorbeirollen haben wir das erste Touristenziel, die Nazcalinien auf unserer Liste abgeharkt. Selbst aus luftiger Höhe haben mich diese Strukturen im steinigen Sandboden nicht sonderlich aus den Socken gehauen. Zumal mich das Gefühl beschlich, dass bei der dortigen Bodenbeschaffenheit, diese Zeichnungen ohne permanente Nachhilfe der dort lebenden Inkanachfolger wohl kaum Bestand haben, gegen die dort fleißig wirkenden Erosionskräfte.

Wie so häufig im Leben, geht es nicht immer geradeaus. An einer Stelle folgen wir einem der wenigen Hinweisschilder, das in die Richtung unserer favorisierten Destination, Colca Canyon, deutet. Um einen Eindruck der vor uns liegenden Straße zu bekommen, stellt euch eines dieser etwas in die Jahre gekommenen Waschbretter vor, verschönert wurde das Ganze mit einer filegranen Schicht aus Sand, damit es auch ordentlich staubt und einem Haufen Steinen in den diversesten Größen und Farben. Die über 150 Km auf dieser Piste führten uns über eine 4000 m hohe Bergkette und durch eine traumhaft schöne Landschaft. Das Ziel war Cabanaconde, ein kleiner verschlafener Ort, umgeben von Terrassen, die wie grüne Stufen die Berghänge emporsteigen. Das Ganze kommt einer Zeitreise gleich. Die Felder werden noch mit Eseln, Ochsen und viel Handarbeit bestellt. Jeden Morgen ziehen Pilgerscharen, von mit Schaufeln und Spitzhacken bewaffneten Menschen auf die umliegenden Pflanzgründe, um dem Boden ein Maximum von Ernteertrag zu entlocken. Die Menschen sind in die uns allen bekannten peruanischen Gewänder gehüllt und vervollständigen den malerischen Eindruck dieses Örtchens. Glücklich und zufrieden über die Abendliche Stärkung aus dem liebevoll befeuerten Holzofen eines ortsansässigen Restaurants, sinken wir in unsere Kissen. Die Nacht war jedoch kurz, um 5 beginnt der Tag der einheimischen. Als Reminder, an religiösen Pflichten am Sonntag schallt laute Musik aus in der Stadt verteilten Lautsprechern, Esel geben ihre zweisilbige Lautsammlung zum Besten und die zahlreichen Hähne fürchten einen Verlust an Aufmerksamkeit und tun alles um dies zu verhindern. Unser Tagesziel war es in den Colca Canyon abzusteigen und gegen Nachmittag den Aufstieg in Angriff zu nehmen. Jeder dem wir auf dem Weg von unserem Vorhaben berichten ist beeindruckt, die meisten Leute teilen sich diesen Trip in zwei anstrengungsreduzierende Etappen ein und übernachten im Canyon. Nach 2 Stunden und 15 Minuten haben wir das kühle Nass des in der Schlucht tobenden Flusses erreicht. Die Aussicht auf dem Weg nach unten war gigantisch. Kondore Kreisen über dem tiefen Einschnitt zwischen den umliegenden Bergen und die Landschaft ist mit Kakteen und Büschen übersäht. Die uns entgegenkommenden Aufsteiger und die Erfahrungen des Abstiegs, bereiten uns auf einen mühevollen und sportlichen Rückmarsch vor. Diesen gehen wir nach einer ausgiebigen Phase der Regeneration in der Prallen und ungnädig brennenden Mittagssonne an. Sehr sinnvoll! Nach 2 Stunden und 5 Minuten habe ich die 1100 Höhenmeter erfolgreich gemeistert. Dann hieß es warten. Nach 3 Stunden im kühl wehenden Wind, beginne ich mir doch mal sorgen über den Verbleib meiner Mutter zu machen. Die letzten Aufsteiger die an mir vorbeiziehen, berichten niemanden gesehen zu haben, der meiner Beschreibung auch nur Ansatzweise ähnelt. Da ich diese eigentlich als nicht zu schlecht empfinde und die Sonnenstrahlen, die unseren Planeten Erhellen, inzwischen einen recht flachen Einstrahlungswinkel erreichten, begann mein Denkapparat bereits sich mit ein paar weiteren Vorgehensweisen zu beschäftigen. Glücklicherweise war Maßnahme 1, der Griff zu meinem Mobiltelefon schon von Erfolg gekrönt. Wie auch immer hatte sie es geschafft, den wie ein roter Faden Verlaufenden Wanderweg zu verlassen und auf einen Kleinen und vor allem komplizierten Abweg durch die umliegenden Felder zu geraten. Dieser Führte offensichtlich nicht an meiner Warteposition vorbei, was sie dann doch noch das Hotel vor mir erreichen ließ. Was meint ihr, das war Schummeln, oder? Na egal, das Wichtigste ist, dass nichts passiert ist.

Die Weiterfahrt nach Puno zum Titicacasee verläuft durch eine tolle Landschaft, die von bis zu 6000 m hohen Bergen eingerahmt wird. Die Letzte Etappe wird jedoch durch die Durchfahrt eines grauenvollen Verkehrschaos mit sinnfrei hupenden Terrorzwergen und deren maßlose Rücksichtslosigkeit unwesentlich erschwert. Das Erreichen der bevorzugten Übernachtungsgelegenheit wird noch durch eine schier Endlose Parade erschwert, für die die halbe Stadt abgeriegelt wurde. Nach 1,5 Stunden Irrfahrt haben wir das Ziel dann doch noch erreicht. Schon gegen späten Nachmittag war über dem See eine Ansammlung von tief schwarzen Energiebündeln zu beobachten, in der Nacht kam dann die Entladung und mit ihr eine Unglaubliche Menge Wasser, welche die Straßen in knietiefe reißende Bäche verwandelte. Einer dieser Bäche führte direkt in eines der von uns angemieteten Zimmer, was in unverständlicher Weise den Schlaf meiner Mutter beeinträchtigt hat. Also mal ehrlich, das bisschen Flüssigkeit auf dem Kissen, die geringe Nachschubmenge und das unnachlässig auf das Blechdach hämmernde Wasser  sind doch kein Problem?! Oh man, was war das eine Nacht.

Als Nächstes geht es in das bunte Treiben der Bolivianischen Hauptstadt La Paz. Die Stadt ist Gigantisch. In einen riesigen Talkessel wurde ein Haufen überdimensionierter roter Legosteine gekippt. Dazwischen ein undurchdringlicher Dschungel aus Marktständen, Autos und Menschenmassen. So Chaotisch es auch klingt, habe ich die Szenerie als äußerst sehenswert und spannend empfunden. Das Highlight waren jedoch die 63 Km Abfahrt mit dem Mountainbike auf dem Camino del Muerte. In einem Wahnsinns Tempo geht es vorbei an Autos und LKWs die ersten 23 Km Asphalt dem Tal entgegen. Dann wurde der Schwierigkeitsgrad erhöht und der Bodenbelag durch Schotter ersetzt, die Leitplanken entfernt, ein ca. 500m tiefer Abgrund angesetzt und der Weg merklich enger gestaltet. Was ein geniales Erlebnis, als wir alle heil unten angekommen sind. In einer Kurve sah ich dieses Idealziel aber schon in die Ferne rücken, da sich der nicht gänzlich unnütze Reifendruck meines Hinterrades in einem netten Pfiff verabschiedete. Während ich meine Schweißperlen von der Stirn wischte wurde der Reifen im Begleitfahrzeug wieder in seine ursprüngliche Form gebracht. Das hätte ich auch gern vor einigen Monaten bei meiner Radtour genossen.

Letzter Halt auf unserer Tour de Peru, war dann eines der neuen 7 Weltwunder, der Machu Pichu. Nachdem wir die schöne Altstadt von Cuzco unsicher gemacht haben, geht es weiter nach Ollyantaytambo. Ein kleines Dörfchen, welches sich als Ausgangspunkt für Reisen zu besagtem Ort anbietet. Der monetäre Aufwand diesen magischen Inkaort zu erreichen hat uns ordentlich überrascht. Mangels im zeitlichen Rahmen darstellbarer Alternativen, geht es dann doch im Zug nach Aguas Calient und weiter. Besonders beeindruckt hat mich der Aufstieg auf den Machu Pichu, ein die Ausgrabungsstätte überragender Berg, von dem aus ein atemberaubender Blick auf diesen in exponierter Lage befindlichen Ort besteht. Ein wirklich beindruckendes Erlebnis. Wie immer habe ich versucht meine Eindrücke in Bilder zu bannen um nicht alles Eurer Phantasie zu überlassen.

Nach all diesen Erlebnissen ging es wieder zurück in das Chaos von Lima und mit direkter Verbindung weiter nach Guayaquil in Equador. Die Erlebnisse gibt es dann im nächsten Bericht.


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