
Seit ich meine Behausung in Gelsenkirchen mit dem Fahrrad verlassen habe, sind inzwischen fast 10 Monate vergangen. Die Zeit ist nur so verflogen und mein Impressionsspeicher füllt sich schneller als Flüsse nach der Eisschmelze. Hier in Ecuador ist es ein unheimlich vielfältiger Mix gewesen.
Nach 27 Stunden im Bus erreiche ich Guayaquil. Wenn Ihr bisher nicht viel Gutes über diese Stadt gehört habt, macht Euch bitte auch nicht zu viel Hoffnung dass sich das in diesem Bericht ändern wird. Stellen wir uns einen riesigen Topf mit 3,3 Millionen Menschen drin vor, füllen das Ganze lieblos mit völlig kaputten Straßen, unwesentlich schlimmeren Häusern und jeder Menge brauner Brühe, dem dortigen massiven Fluss, auf. Um das Ganze jetzt nicht als den Contest zum abschreckendsten Ort Südamerikas gewinnen zu lassen, werden noch wahllos hochmoderne Shoppingcenter und eine Flaniermeile eingestreut, die die westlichen Luxusgüter zu völlig überhöhten Preisen an die 3 % des Landes zu verkaufen, die sich reich nennen dürfen. Ich gebe zu, dass sicher auch ein Paar Touristen zuschlagen, die sonst vor Langeweile in der Stadt umkommen würden. Eine riesige Monopolstellung hat dieser Ort jedoch, er ist der einzige, von dem aus direkt die Galapagosinseln angeflogen werden. Genau da ging es dann auch schnellstmöglich für mich hin.
Am Flughafen angekommen, gab es für die 100 Dollar Nationalparkgebühr immerhin einen liebevoll gestalteten Stempel in den Pass. Fast alles andere, was einem für diesen nicht unerheblichen Betrag geboten werden sollte, war mehr als halbherzig, aber dazu komme ich weiteren Textverlauf. Schnell wird mir gewiss, dass es auf den Inseln letztlich nur um die Ausbeutung des Massentourismus geht. Die Inseln haben einen Namen und dieser ist so wertvoll für das Land Ecuador, wie der aufwändig gestaltete Schriftzug eines nordamerikanischen Brauseherstellers. Die Menschliche Zerstörungswut ist jedoch unverkennbar über die drei Hauptinseln hinweggefegt. Es liegt viel Müll am Straßenrand, in Puerto Aurora fahren mehr als 300 Taxis Tag und Nacht im Kreis um zu Spottpreisen die Touristen durch den Ort zu kutschen. Im Hafen stehen unzählige Boote, die einen bunt schimmernden Ölfilm auf der Wasseroberfläche hinterlassen. Um wirkliche Natur zu sehen zu bekommen müssen die Touristen eine der völlig überteuerten Touren oder Cruzes buchen. Die in diesem Zug zu besuchenden Inseln sind traumhaft schön, aber größtenteils auch schon ziemlich unter die Räder gekommen. Überall laufen Katzen und Hunde herum, selbst auf entlegenen Inseln haben die Menschen Tiere und Pflanzen eingeschleppt, die nun die dortige endemische Artenwelt bedroht. Die Touren werden für die Touristen von einheimischen „Biologen“ und sonstigen Experten geführt. Auf meine zugegebenermaßen dumme Frage, welche von diesen putzigen und zutraulichen Finken denn nun die Darwin Finken sind, bekomme ich die Beschreibung eines roten Piepmatzes. Später komme ich an einem Souvenirladen vorbei und es erschließt sich mir schnell, dass alle Finken auf den Inseln Darwins Finken sind. Ich hätte noch gesagt, möglicherwiese handelt es sich da um ein unüberwindbare Sprachbarriere, aber dieser selbsternannte Experte hat jahrelang in Deutschland gelebt. Es blieb kein Einzelfall, auf anderen Touren wurden Wissenslücken mit perversen Witzen überspielt und dergleichen mehr. Im Nationalparkinformationszentrum haben sich die Menschen selbst gefeiert, weil sie den artenbedrohenden Reproduktionsrückgang der Echsen auf einer Insel, erfolgreich durch Umsiedlung auf eine Andere, gestoppt haben. Die Tatsache, dass dieser mit dem Bau des Flughafens und der amerikanischen Militärbasis im Zusammenhang stehen könnte, wird gekonnt unter den Teppich gekehrt. Auf den Inseln werden keine Landschildkröten mehr in der freien Natur geboren sondern allein der Aufzuchtstation, um mit fein steuerbaren Wärmelampen das Geschlecht der Tierchen ganz nach Gusto der selbsternannten Götter zu bestimmen. Ich könnte noch seitenweise so weitermachen, will aber lieber auch noch ein paar positive Worte über die Inseln verlauten lassen. Was unheimlich beeindruckend war, sind die auf den Inseln verbliebenen „Dinosaurier“. Die dort lebenden Echsen und Schildkröten waren die entspanntesten Vertreter, die mir auf meinem bisherigen Trip begegnet sind. Da können sich die hiesigen Autofahrer und die weltweiten Lastminute Weihnachtsshopper mal eine dicke Scheibe von abschneiden. Auch die völlig zahmen Vögel, zutraulichen Seelöwen, Schildkröten und sonstigen Fische haben besonders meine Dortigen Tauchgänge unheimlich bereichert. Tauchen mit Hammerhaien und unter Wasser mit neugierigen Seelöwen spielen, ist ein genauso faszinierender Moment gewesen, wie die Schildkröten Delphine, Thunfische und riesigen Fischschwärme in ihrem Element zu besuchen. Die positiven Aspekte überwiegen schon die vorher beschriebenen und ausgelassenen Verfehlungen. Traurig und unheimlich schade sind diese jedoch trotzdem.
Nach 2 Wochen geht es dann weiter nach Quito, der Hauptstadt. Eine riesige Behausungsansammlung ergießt sich in ein lang gezogenes Tal. Die Altstadt ist sehr schön und die vielen Parks machen die Stadt lebenswert. Ein großes Manko ist die hiesige Sicherheit. An allen Ecken wird vor Taschendieben und Überfällen auf (volltrunkene) Touristen gewarnt. Gefühlt ist es jedoch wie in jeder Großstadt und die Polizeipräsenz ist massiv und sorgt für ein ausreichendes Sicherheitsgefühl. Dennoch kann mich die Stadt nicht für viel länger als ein paar Stunden unterhalten und ich beschließe weiter nach Banos zu pilgern. Wer bisher den Eindruck hatte Queenstown in Neuseeland wäre die Hauptstadt des Adrenalinverschwendens, sollte diesen Ort besuchen. Komme ich zunächst zum Bühnenbild, massive Berge, ein noch viel höherer aktiver Vulkan, im Tal dazwischen ein kleines Dorf mit kolonialen Gebäuden und jahreszeitbedingt völlig kitschiger Weihnachtsverkleidung, durchschnitten wird die Idylle von einem tiefen Graben, in dem ein Fluss tobt. Am meisten hat mir das Canyoning gefallen. Stellt euch eine Gruppe von „Indiana Jones“ Fans vor, die durch einen engen Canyon mit einem reißenden Flüsschen stapfen. Immer wieder gibt es Wasserfälle zu überwinden. Manchmal ist es ein mutiger Sprung in ein tiefes Becken, manchmal ist es eine helfende Leine zum Abseilen. Wer von Euch schon mal auf dem 10m Brett im Schwimmbad stand, wird nachvollziehen können, wie es ist in ein noch wesentlich kleineres Becken, in in diesem Fall 9 Metern Tiefe, zu springen. Wir haben das Spielchen alle unbeschadet überstanden. Nach Treffen in Hong Kong, Malaysia und Neuseeland habe ich dort auch Eveline und Bastiaan wiedergetroffen. Dazu kam noch Nik aus den Staaten und die explosive Mischung mit Garantie für Spaß und Unterhaltung war perfekt. Gemeinsam mit ein paar weiteren Leutchen wurde mir ein wunderbarer Jahrestag beschert und wir hatten jede Menge Spaß in diesem wirklich schönen Ort. Nein, ich stelle Euch keine Detailinformationen und kompromittierenden Fotos zur Verfügung.
Den Abschluss der Tour durch das schöne Ecuador haben wir uns auf dem 5900m hohen Cotopaxi vorgestellt. Also hin, das Auto auf 4800m Höhe auf den Parkplatz verbannen und rauf zum „Basislager“. Das Haus ist völlig überlaufen und der uns versprochene Schlafplatz ist der von, Euch momentan bekannten, Temperaturen durchgekühlte Boden im Gebäude. Nach Schlaflosen Minuten werden wir um 23 Uhr geweckt, fertig machen und bereithalten. Um 1 Uhr morgens geht es dann bei Sturm und Schnee los um die letzten Höhenmeter zu überwinden. Das war bei der Höhe und den Konditionen jedoch alles andere als eine normale Wanderung. Mich erfüllte in dem Moment ein riesiger Respekt für die Menschen, die sich auf noch höhere Erhebungen unseres Planeten gewagt haben. Leider wurde der Sturm mit zunehmender Höhe immer schlimmer und der mit ihm beförderte Schnee wurde zu einer Art Sandstrahl mitten ins Gesicht und hat uns mit einer ordentlichen Eisschicht überzogen. Diese Umstände bewegen unsere Guides dazu, das ganze Vorhaben auf immerhin 5200m abzubrechen. Sehr schade, aber eine gewisse Vernunft ist dieser Entscheidung nicht abzusprechen.
Nach diesen Abenteuern geht es nun weiter nach Kolumbien. Ich wünsche Euch noch eine besinnliche Vorweihnachtszeit und sage bis Bald!
Wem der Text gefallen hat, der kann sich hier für meinen Newsletter anmelden und bekommt fortan bei der Veröffentlichung neuer Artikel einen Hinweis. Keine Angst, es gibt keine anderweitige Werbung und auch keinen Weiterverkauf der Daten. Ein Abmelden ist auch jederzeit wieder möglich.
Kommentar schreiben