Rastlos in Mittelamerika

In einem Schulbus geht es quer durch ein faszinierendes Land krasser Gegensätze. Der Bus hat sicher schon Schülerhorden zu ihren Lehreinrichtungen befördert, die heute mit ihren Enkelkindern auf dem Schoß über die Erlebnisse des Lebens sinnieren. Die Gebrechen die sich bei den ehemaligen Insassen inzwischen einstellen, gehen auch an den Bussen nicht spurlos vorbei. Höhere Geschwindigkeiten lassen die Busse ordentlich kämpfen und ächzen. Der Zahn der Zeit hat deutlich genagt und wie bei unserem Altbundeskanzler hat man versucht mit frischer Farbe das gröbste zu verdecken. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam, sie sind zuverlässig. Unglaublich ist, wie viele Leute so auf einem zweiersitz Platz finden, wenn man das nur will. Dazu steht und liegt überall Baumaterial, zusammengeschnürte lebendige Hühner, Papiertüten voller Küken und der Gleichen mehr. An jeder Haltestelle verzögert sich die Weiterfahrt, da zunächst eine Karawane von Händlern durch den völlig überfüllten Bus stolpern muss. Jeder versucht irgendetwas zu verkaufen, die Bandbreite ist schier unendlich. Unabhängig vom was, sie alle verkaufen scheinbar genug um zu überleben. Reich im kapitalistischen Sinne werden hier sicher die aller wenigsten, aber in einem Aspekt sind die Menschen hier meiner Meinung reicher, als wir in unserem wohlbehüteten westeuropäischem staatlich garantierten Luxuskokon, sie sind offen und unheimlich freundlich. Die Gegebenheiten sind kein besonders fruchtbarer Nährboden für Neid. Die Behausungen sind mehr als einfach und würden in Deutschland sicher ein Anlass für eine 100% Mietkürzung sein. Ich denke die Fotos werden das Ganze recht treffend illustrieren. Erstaunt haben mich auf der anderen Seite die mehr als 200 Windkraftanlagen im Süden des Landes.

Meine erste Station ist die Bilderbuch Stadt Granada. Alte liebevoll renovierte Kolonialbauten säumen die Plätze und Straßen. Die Sauberkeit und Ordentlichkeit ist mehr als auffallend und ein krasser Kontrast zu Station Nummer 2, die Stadt Leon. Die Häuser sind ähnlich, nur das die liebevolle Restauration der Bauten noch auf sich warten lässt. Aber auch diese Stadt mit ihren unzähligen Märkten ist es wert eine Zwischenstopp einzulegen. Das absolute Highlight ist das Vulcano Boarding. Mit einer Art Snowboard bewaffnet geht es auf einen Vulkan rauf und in einem Wahnsinns Tempo wieder runter. Von oben sah es echt krass aus. Eine steile Aschepiste und der unten wartende Bus sah sogar zu klein aus, um in die Sammlung dänischer Plastiksteine zu passen. Das Unterfangen hat aber definitiv Spaß gemacht. Hier in Leon fällt mir die Freundlichkeit der Einheimischen besonders auf. Kleine Kinder jubeln uns zu, als wir auf unserem LKW an ihnen vorbei rauschen. Jeder winkt und grüßt. Gern würde ich etwas dieser Offenheit, mit in die Heimat transportieren.

Da ich bereits 2011 das Land schon mal besucht habe, kann ich mich voll und ganz auf die Perlen des Landes fokussieren. Eine ist definitiv Jiquilillo, ein kleines verschlafenes Dorf an der Pazifikküste. Die Leute hausen in den einfachsten Unterkünften und träumen von fließend Wasser. Das Hostel in dem Örtchen passt sich perfekt an und ist genauso einfach. Unweigerlich schaltet man 2 Gänge zurück. Auch hier sind die Leute unheimlich freundlich und jeder will ein Foto von sich auf meiner Kamera wissen. Stolz werden mir die Hütten und Boote präsentiert und jeder freut sich 3 Worte mit dem Gringo zu wechseln. Eltern stellen die komplette Familie vor der Hütte auf um mir ein schönes Fotomotiv zu bereiten. Definitiv eine Reise Wert dieses Land.

Wo Licht ist, werden auch Schatten geworfen und wie so oft, sind der Quell die Touristen. Ihr glaubt nicht wie viele Diskussionen ich hier zum Thema Kinderarbeit geführt habe. Normal wenn es um dieses Thema geht, fährt ein Schrei der Empörung durch die Leute. NEIN, wir würden so was nicht unterstützen, sprachen die Blinden und kauften Lebensmittel, Essen, Zeitungen, Lotterielose und diverses mehr bei Kindern im Bus. Das Kinder hier Arbeiten gehört so selbstverständlich ins Gesamtbild, dass es schon gar nicht mehr wahrgenommen wird. Die Überraschung und die Erleuchtungserscheinungen bei den anderen Reisenden sind enorm, als ich sie mal direkt auf das Thema angesprochen habe. Sie geben mir Recht und alle sind der Meinung, dass man das als Tourist keinesfalls unterstützen soll. Mit dem Gefühl die richtigen Gedanken in den fruchtbaren Boden in den Köpfchen der anderen gepflanzt zu haben, gehe ich ins Bett. Ich bin erstaunt, dass es bisher wohl nicht vielen anderen aufgefallen ist. Neuer Tag neues Glück. Auf meinem Streifzug durch die Nachbarschaft sehe ich einige der gestrigen Diskussionsteilnehmer wieder. Sie lassen es sich gut gehen und genießen eine Massage, eine Andere eine Pediküre. Alles schön und gut, würden die Anbieter der Dienstleistungen wenigstens aussehen als wären sie älter als 8 Jahre. Bei so viel Verlogenheit, Dummheit und Ignoranz, fehlen mir irgendwie die Worte.

Weiter geht es im Schnelldurchlauf durch El Salvador und weiter nach Guatemala. Auf dem Gringotrail wird man für gewöhnlich mit Reisetipps nur so zugeschüttet. Aber bezüglich dieses Landes, war die Informationsversorgung im Vorfeld sehr dürftig und selbst die sonst so informationsgeschwängerte Reisebibel gab nicht viel her. Nach meinem Besuch kenne ich nun auch den Grund. Selbst bei intensivem Suchen habe ich nicht viel Schönes entdecken können. Jeder warnt mich, nicht raus zu gehen und schon gar nicht meine Kamera mitzunehmen. Ich habe es trotzdem gemacht und fühlte mich an einigen Ecken tatsächlich das erste Mal auf meiner Reise unsicher. Der Bürgerkrieg ist offiziell seit über 20 Jahren beendet, aber die diversen schwer bewaffneten Sicherheitsleute, erzeugen ein anderes Bild. Also nichts wie weiter nach Guatemala.

Die Hauptstadt des Landes kann durchaus mit El Salvador konkurrieren. Auch hier bleibe ich nicht lang. In den letzten Tagen erinnert mich mein Reiseverhalten, an Barfuß in der Mittagshitze über den brennend heißen Sand am Strand laufen. Stehenbleiben führt unweigerlich zu einem intensiven Unwohlseins Gefühl. Bei „Sonnenuntergang“ erreiche ich Antigua und hier fühlt sich das stehenbleiben wieder gut an. Die Stadt wird von den umstehenden Vulkanen bewacht und erinnert stark an Granada. Mit Hochgenuss sauge ich das koloniale Flair in mich auf und setze meine Reise anschließend fort. Die letzte Station, im ebenfalls zuvor bereisten Guatemala, ist der Atilan Lake. Malerisch sind die kleinen Orte, die sich um den See reihen und darauf hoffen dass die sie überragenden Vulkane gnädig sind. Sehr einfach ist das Leben der Menschen hier, Brennholz wird vor den Stadttoren gesammelt und selbst von weit über 60 Jähren auf dem Rücken zurück in die heimischen Behausungen geschleppt. Auf den Märkten herrscht reges Treiben und die auf dem See operierenden Boote pumpen die Touristen durch die Venen der Stadt. Das Flair, die Freundlichkeit der Menschen und der See laden zum Verweilen ein. Mit dem Boot geht es quer über den See und in diversen der zuvor beschriebenen Schulbusse in Richtung Mexiko. Wieder bin ich begeistert von diesem Land.


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