
Alle guten Dinge sind 8. Genau so oft hat es mich nun schon in die Stadt der Engel gezogen. 20 Millionen Menschen haben förmlich darauf gewartet, dass ich wieder da bin. Selbst nach so vielen Malen bekomme ich Gänsehaut, wenn ich im Griffith Park zum Observatorium wandere und von dieser exponierten Lage der Stadt dabei zusehe, wie sie sich in ihr Nachtgewand aus unendlich vielen Lichtern hüllt.
Trotz meiner Kenntnis der Dimensionen dieses Dörfchens versuche ich mich an der Erkundung zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Schnell sehe ich ein, dass dieses Vorhaben der Quadratur des Kreises gleicht. Darüber haben sich schon Leute im alten Griechenland den Kopf zerbrochen, ich schwenke feige das weiße Fähnchen und buche mir einen Mietwagen. Nun kann ich wie ein richtiger Amerikaner, selbst zum Briefkasten den Wagen nehmen und bin nicht mehr dem allgemeinen Spott und Hohn ausgesetzt. Diese frisch gewonnene Freiheit treibt mich direkt in die Ferne, vielleicht am ehesten vergleichbar, mit so einem kleinen Piepmatz, der endlich herausgefunden hat, wofür diese gefiederten Ärmchen gut sind. Also nichts wie los nach Vegas. Dort angekommen stürze ich mich direkt, mit den letzten Dollars in meiner Tasche, in den Genuss von Adrenalin freisetzenden Beobachtungs- und Vorhersagespielen, der dort ansässigen Unterhaltungsmaschinerie. Ich mache mich gut so als kleines Zahnrad im Gesamtkomplex und mein Erfolg kann sich sehen lassen. Immerhin springen sogar zwei Übernachtungen und meine ersten Shoppingbefriedigungen seit geraumer Zeit bei der Sache raus. Die Freude währt jedoch nicht sonderlich lang, der nächste Gang zum Geldautomaten sorgt erneut für Ernüchterung. Dieser automatische Kassenkasten und meine Karte hatten mal wieder einen Pakt geschlossen, um mich zu ärgern. Bargeld Fehlanzeige! Ich stelle mal eben die Fakten zusammen: Mein Tank und meine Geldbörse sind so ausgetrocknet wie die umliegende Wüste. Ich habe noch exakt 15 Dollar und eine geringfügige Anzahl nerv tötender Münzen in der Tasche. Alle von mir unternommenen Geldbeschaffungsmaßnahmen sind völlig erfolglos. Die Tatsache dass es Freitagnacht ist, macht meine Situation nicht besser. Die nächste Nacht verbringe ich in meinem unbeschreiblich ungemütlichen Kofferraum. Ich werde mal einen Brief an die Automobilindustrie verfassen und darum bitten, dass Polster auch auf der Rückseite der Sitze angebracht werden. Eine gewisse Verzweiflung macht sich breit. Da ich keine besondere Lust verspüre mit den Bettlern auf der Straße zu konkurrieren, beschließe ich den vorherigen Shoppingmarathon in umgekehrter Reihenfolge, erneut durchzuführen. Anschließend habe ich genug Bargeldreserven um meinen Tank und Magen zu füllen. Zurück in Los Angeles, komme ich glücklicherweise bei einem Freund unter und die vorherigen Unpässlichkeiten beginnen an Bedeutung zu verlieren, genau wie das Jucken der unzähligen Insektenbisse an meinen Beinen.
Die Nächsten Tage treffe ich immer wieder leibgewonnene Freunde und versuche ihnen die Vorzüge dieser Stadt näher zu bringen. Im Ausgleich bekomme ich meine neue Kreditkarte und die Normalität hält wieder Einzug in mein Reiseleben. Die Zeit verfliegt förmlich und ich kann meine nächste Besucherin am Flughafen einsammeln. Man man, das war ein Kampf, die Streikwütigen Sicherheitsleute am Flughafen und die ebenfalls streikwillige Flugzeugtechnik, haben mein zuvor einstudiertes Begrüßungsritual um ganze sechs Stunden verzögert.
Nach dem Grundprogramm Los Angeles geht es auch schon wieder weiter nach Las Vegas. Dort steht die Hochzeit zweier meiner liebsten Reisefreunde auf dem Programm. Abend Nummer eins stand im Zeichen des Jungesellenabschied. Ich will den sonst so strengen Grundsatz: „What happens in Vegas, stays in Vegas!“ Euch zu liebe etwas lockern. Mir war zu Ohren gekommen, dass der Bräutigam für den Heiratsantrag nicht mal auf die Knie gegangen war. Was ist das denn bitte? Also habe ich mich mit einem Schmuckvollen Lollypop-Ring ausgestattet, um die Wiederholung dieser Geste einzufordern. Bezeugt wurde das Ganze von ca. 30 Mitbewohnern der Beiden und den übrigen unzähligen neugierig gaffenden Passanten, die in der sehr gut besuchten Location herumlungerten. Da Betrunkene Menschen, ebenso wie kleine Kinder, Spaß an Buntstiften haben, hat Onkel Dennis im Vorfeld mal ein paar dieser bunten Spaßmacher angeschafft und für direkte Glückwunschschreiben auf der Haut der Heiratswilligen, unter die Leute gebracht. Was ein spaßiger Abend. Die Krone wurde dem Ganzen eigentlich erst am nächsten Abend aufgesetzt. Gegen späten Nachmittag versammelte sich die Hochzeitsgesellschaft in unserem Zimmer. Schauplatz ein bescheidenes Zimmer in einem der 5 Sternebunker im Citycenter Komplex. Wer von Euch den Film Hangover gesehen hat, hat eine schleierhafte Idee, wie unser Zimmer später aussah. Das Bad war blutverschmiert, weil einer der Gäste ausprobieren musste, was passiert, wenn man in Flipflops in Glas tritt, dazu kamen unzählige Bierdosen und jede Menge Verschmutzungen. Nachdem unser Zimmer gebührend verwüstet wurde, haben wir uns in einer Limousine, zur Kapelle chauffieren lassen. Durch die hoch romantische Hochzeitszeremonie leitete uns eine billige Elviskopie, was aber ein riesen Spaß und Spektakel war. Das sollte man mal mitgemacht haben. Anschließend wurde die gesamte Hochzeitsgesellschaft stilecht in einen Minivan verfrachtet. Ich habe im letzten Jahr so einiges erlebt, aber 32 Personen in einem derart kleinen Gefährt waren schon eine Erfahrung der Superlative. Wer dachte man kommt sich bei Partyspielen wie Twister näher, dem empfehle ich definitiv mal eine Probefahrt in diesem Teilchen, worin die Insassen wegen Überfüllung aufeinander liegen und hocken. Als sich die Tür wieder öffnete, waren wir an unserer Hochzeitspartylocation angelangt. Die Insassen ergossen sich in das Eingangsportal der verlockendsten Feierstätte von ganz Vegas. Gratis Getränke bis 23 Uhr und dazu noch der größte Stripclub der Welt. Da dieses Etablissement scheinbar in Backpackerkreisen eine neu zu erschließende Kundengruppe sieht, war der Eintritt für uns alle gratis. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass wir wohl alle Seiten der Glanz und Glitterstadt zu sehen bekommen haben. Was eine Gaudi.
Erinnert ihr Euch noch an die Bilder des cool an seiner Zigarette ziehenden Cowboy in der roten Prärie Nevadas oder Arizonas? Ungefähr durch diese Einöde führt der schnurgerade Highway zurück nach Los Angeles. Jedem Autofahrer dürfte das Phänomen bekannt sein, dass mit zunehmender Monotonie der Fuß auf dem Gaspedal immer schwerer wird. Zusätzlich wurde ich hervorragend von meiner Beifahrerin unterhalten, was diesen Effekt noch etwas verstärkte. Tauschen wir also den Cowboy mit seinem Nikotinstängel, gegen einen uniformierten Polizisten mit so einem schicken Geschwindigkeitsmesser aus. Ach ja und so ein Nerv tötendes Blaulicht hatte er auch, mit dem er uns zum Anhalten bewegte. Für eine Geschwindigkeitsübertretung von läppischen 35 KmH kann ich das kaum verstehen. Nach dem üblichen Check der Papiere fragt er mich mit seinem liebevollen amerikanischen Genuschel, was ihm denn wohl in Deutschland passieren würde, wenn er in selbiger Situation wäre. Ohne lange zu überlegen sage ich ihm, dass jeder wohl von seinem lieblichen Akzent angetan wäre und ihn mit einer Rüge davonziehen lassen würde. Ich weiß nicht, ob es noch der Geschwindigkeitsrausch ist, oder die Aufregung wie er das wohl aufnimmt, die mein zartes Herzchen zum Klopfen bringt. Er lacht, bemerkt dass ich scheinbar cleverer bin als meine Geschwindigkeit vermuten lässt und lässt uns ausgestattet mit jeder Menge Reisetipps ziehen. Puh, Glück gehabt. Ich will hoffen, dass er nie mit einem der uniformierten Paragraphenreitern in Deutschland zu tun bekommt.
Die nächsten Tage stehen wieder im Zeichen der Stadterkundung, aufgebrochen durch einen Kurztrip nach San Diego. In Los Angeles treffen wir uns mit einem der 20 Millionen Einwohner der Stadt und verbringen einen klasse Abend mit ihm. Am Ende lädt er uns ein, in sein Gästezimmer einzuziehen. Wir bekommen einen Schlüssel und mehr als empörte Blocke, als er erfährt, dass wir seine Bar bei unserer Ankunft nicht geplündert haben. Ich muss sagen, dass ich eine derartige Gastfreundschaft noch nie erlebt habe. Ich bin maßlos begeistert und erfüllt von Dank.
Wie so oft geht auch diese schöne Zeit wieder viel zu schnell zu Ende. Fast 5 Wochen habe ich hier verbracht und wieder nicht alles geschafft, was ich mir vorgenommen habe. Ich habe jedoch auch dieses Mal wieder unzählige neue Ecken dieses Beschaulichen Örtchens erkundet. Eines war ein Club in Downtown, den ich bereits seit einiger Zeit auf der Agenda hatte. Erwähnenswert ist dies nicht nur wegen der besonderen Aufmachung des Ladens, sondern auch wegen einer Geschichte deren Zeuge ich dort wurde. Einer dieser paarungswilligen Großstädter hat sich ein hübsches und nettes Mädel ausgeguckt. Nach dem anfänglichen Bla Bla fragt er sie, was sie denn trinken mag und verschwindet verheißungsvoll in Richtung Bar. Nach wenigen Sekunden kehrt er mit leicht derangierter Miene zurück und verkündet seiner Angebeteten, dass er sie gern eingeladen hätte, ihm jedoch die Drinks in diesem Laden zu teuer sind. Reife Leistung, aber ein dickes Danke, für meine erfolgreiche Belustigung.
Auf dem Weg zum letzten gemeinsamen Frühstück mit meiner aktuellen Besucherin gehe ich in Gedanken nochmal den Packprozess meiner Tasche durch. Auch wenn ich kräftig stopfen musste, habe ich das Gefühl, dass irgendwas in meinem Gepäck fehlte. Aus dem Augenwinkel fällt mein Blick auf einen Kameraladen, in dem ich diverse Male in den letzten Wochen war. Oh SCH… jetzt weiß ich was fehlt! Die fast an meinem Rücken angewachsene Kameratasche war nicht im Kofferraum. Lenkrad rum reißen, Adrenalinschub verdrängen, wild fluchend und mit den Armen gestikulierend aus dem Auto springen und aus Vermutung Gewissheit werden lassen. Die Kamera ist weg! Schnell komme ich darauf wo sich unsere Wege getrennt haben, in San Diego. Wieder setzt mein Denkapparat eine wahre Aktionskette in Gang. Flug umbuchen, Frühstücken, Besucherin leider viel zu unherzlich am Flughafen abliefern und noch eine kleine Ehrenrunde bei der Abschiedstour einlegen. Zurück in San Diego habe ich 3 Stationen wo mein Baby sein könnte, zwei Absagen habe ich bereits erhalten. Mir klopft das Blut durch die dafür vorgesehenen Transportwege als ich Richtung Anlaufstelle Nummer 3 eile. Die Bar ist noch geschlossen, aber glücklicherweise schrecke ich mit meinem Trommelwirbel an der Tür den Besitzer auf. „Ja wir haben uns schon gewundert, wann wohl mal jemandem auffällt, dass er diesen 4 Kg schweren Klotz nicht mehr mit sich rum schleppt.“ Mit ähnlicher Dramatik, wie im Fernsehen Familien wieder zusammengeführt werden, habe ich auch meinen treuen Reisebegleiter wieder in die Arme geschlossen. Ok, nun kann ich beruhigt zu meiner letzten Station aufbrechen.
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