
Wenn sich im Frühjahr am Rhein in Düsseldorf die ersten Krokusse aus dem Boden wagen ist Eile
geboten diese zu bestaunen, bis die Horden von Menschen bewaffnet mit ihren Selfiestöcken gedankenlos darauf herumtrampeln um den Shot für ihre Instagram Story zu erhaschen. Ähnlich ist es beim
Reisen, hier gilt es auch Dinge zu erkunden, bevor sie von den Touristenmassen verändert wurden. Ich sitze im Auto und lausche einem Bericht über eines der jüngsten Länder der Welt. Etwa 4000
Touristen bereisen das Land jährlich, es ist ein Paradies für Wanderer und ein absoluter Geheimtipp für Taucher für die es unzählige unberührte Riffe zu erkunden gibt. Das ganze klingt wie ein
liebevoll angepriesenes Gericht in der Speisekarte eines exquisiten Restaurants, samt visueller Unterstützung der Phantasie durch Bilder über die ich bei meinen Recherchen
stolpere.
Fasten your seatbelt, cabin crew get ready for take off. Timor Leste stand nicht lange oben auf meiner Reisewunschliste bis meine Partnerin, meine geduldige, treue Reisebegleitung und ich uns bei Kleinformat Kinoprogramm und zugehöriger Verköstigung auf den Weg nach Singapur machen. Dort machen wir uns an eine Instant Erkundung der schönsten Ecken der Stadt, belohnen unsere von der Zeitverschiebung verwirrten Körper mit gutem Essen und meinem Hauptnahrungsmittel Eis, bis wir uns um einige Eindrücke und Fotos reicher wieder auf den Rückweg zum Hotel machen.
Einen gefühlten Augenblick später sitzen wir auch schon wieder im Flieger nach Denpasar und weiter nach Dili, der Hauptstadt unserer Reisedestination. Eine ganze Zeit fliegen wir die Küste des Landes entlang bis der Pilot die Maschine samt Insassen auf einem kleinen Stück Asphalt direkt am Meer zum stehen bringt. Der Flughafen ist nicht mehr als eine kleine Blech Hütte. Das Visum ist neuerdings für Europäer kostenlos und die Formalitäten schnell erledigt. Jeder scheint sich über die nicht so intensiv gebräunten Besucher aus der Ferne zu freuen. Es wird viel gewunken, gelacht und gegrüßt. Wer sich ein mal im Leben wie ein Star fühlen möchte, sollte auf jeden Fall eine Reise nach Timor Leste unternehmen. Regelmäßig entbrennen regelrechte Wettstreite, wer das bessere Selfie mit den Fremden erhascht. Hier sind wir eindeutig die Krokusse, die hoffentlich nicht unter die Räder kommen, was bei dem hiesigen völlig unregulierten Verkehr nicht verwunderlich wäre.
Hauptstadt mit Dorfcharakter – Dili
Der erste Eindruck von improvisierter Einfachheit des Flughafens setzt sich in der Stadt nahtlos fort. An allen Ecken hat ein gigantischer Zahn der Zeit mit Unterstützung einer sanften Meeresbriese genagt. Selbst in neuen Wänden oder Gehwegen klaffen große Löcher, die aufgrund mangelnder Befestigung und sparsamsten Einsatzes von Zement direkt vom Ozean oder den nicht seltenen Regenfällen wieder untergraben werden. Schon beim ersten Spaziergang am Strand, entlang der Blechhütten der einheimischen werden ein paar Dinge klar. Jeder grüßt, Kinder lachen und die Jugendlichen wollen Fotos mit den außergewöhnlich aussehenden Besuchern aus einer anderen Welt. Häufig lodert aus halbierten Ölfässern ein Feuerchen, auf dem mehr oder weniger frisch dem Ozean entlockte Fische, oder eines der zahlreich umherrennenden Hühnchen brutzelt. Es scheint nur eine Grundregel zu herrschen, wenn du etwas haben möchtest, dann machst, oder züchtest du es selbst. Zu kaufen gibt es zwar fast alles, die Preise gleichen jedoch denen, die uns aus heimischen Gefilden vertraut sind und passen nicht bedingungslos zu den hiesigen Einkommensverhältnissen.
Die Vormittage verbringen wir überwiegend unter Wasser und bestaunen bunte Gärten aus Korallen und deren noch farbenfroheren Bewohner. Sehr schön war auch das Dugon, was uns bei unseren Erkundungen besucht hat. Die Nachmittage widmen wir der Erkundung der diversen bunten Märkte, die sich jeweils auf den Vertrieb einer Bestimmten Sache spezialisiert haben. Ein Portugiese, welchen wir beim Tauchen kennengelernt haben, veranstaltet für uns eine kleine Stadtführung und überlässt uns an der Christus Statue wieder der eigenverantwortlichen Erkundung. Christus thront und wacht hoch oben über die ihm zu Füßen liegende Bucht samt dort angesiedelter Stadt. Die Aussicht von dort oben ist auch für Besucher sehr lohnenswert und entschädigt für den vorherigen dezent transliterationfördernden Aufstieg.
Hoch hinaus – Mount Ramelau
Nach einem gemütlichen Frühstück werden wir von Dani, dem Besitzer unserer letzten Unterkunft am Straßenrand abgesetzt. Keiner versteht so wirklich, warum wir die Besteigung des höchsten Berges des Landes auf eigene Faust unternehmen wollen. Nehmt euch doch einen Fahrer mit Wagen, der euch dort hin fährt. Und auf jeden Fall einen Guide, der Euch sicher zum Gipfel führt, sonst verlauft ihr euch! Wo bleibt denn da bitte das Abenteuer? Wir sitzen also mit einer ganzen Reihe anderer Leute auf der Ladefläche eines Kleinlasters, die wir uns noch mit zahllosen lebendigen und von Natur aus nicht so lebendigen Lebensmitteln teilen. Touristen auf solchen Transportmitteln sind anscheinend eine noch größere Rarität, als in tackte asphaltierte Straßen in diesem Land zu sein. Es scheint so, als wenn an allen Stellen gleichzeitig begonnen wurde zu bauen, fertiggestellt ist bisher jedoch nichts. So schleichen wir über staubige Pisten unserem Ziel entgegen. Für die ca 40 Kilometer bis zu der Abzweigung zum Berg haben wir etwa 4 Stunden auf der Ladefläche verbracht. Mangels weiteren Transportoptionen beschließen wir, die 18 km bis zum Ausgangsort der Wanderung in Hatubuilico zu Fuß zu beginnen. Das uns bis zum Ziel kein Auto überholt, ist für uns Bestätigung genug, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben.
Von dort bis zum Parkeingang sind es weitere 60 Gehminuten. Dort dürfen wir uns in das Gästebuch eintragen und noch auf ein paar mit Mobiltelefonen geschossene Bilder bannen lassen. Der Beginn des Anstiegs erfolgt über Treppen und geht gut voran. Es folgt ein steiniger Weg, des sich genüsslich um den Hausherren schlängelt. Es ist lange dunkel geworden als wir kurz unterhalb des Gipfels eine kleine Kirche erreichen. Dort in dieser Holzhütte lodert schon ein Feuer und aus einem Lautsprecher dröhnt, für Kirchen unübliche Musik, der zahlreichen Jugendlichen einheimischen, die sich die Zeit bis zum Morgengrauen vertreiben.
Der Mangel an Sonnenstrahlen wird nicht nur durch die von unserer Taschenlampe durchbrochene Dunkelheit verdeutlicht, sondern geht auch mit einem rapiden sinken der Umgebungstemperatur auf etwa 10 Grad einher. So liegen wir am Ende mit allem bekleidet, was unser Rucksack so hergegeben hat, in einem dünnen Schlafsack und bestaunen bibbernd den über uns liegenden Himmel, welcher in atemberaubender Weise mit zahllosen Sternen geschmückt ist. Unsere Nachtruhe wird immer wieder von neben uns grasenden Pferden, der Musik aus dem Lautsprecher oder dem Stimmengewirr der anderen durchbrochen. Um kurz vor 5 packen wir unsere Schlafstätte zusammen und machen uns an die letzten Meter auf den Gipfel. Insgesamt hat der Aufstieg 2,5 Stunden gedauert, als wir zu mindest für diesen Tag als erstes den Gipfel erreichen. Der folgende Sonnenaufgang und die zugehörige Aussicht haben auf jeden Fall für den weiten Fußmarsch über unzählige Steine, die so etwas wie eine Fahrspur bilden sollten, entschädigt. Es dürfte überflüssig zu erwähnen sein, dass wir den kompletten Weg, in Ermangelung von alternativen Fortbewegungsmitteln, auch wieder zurück laufen durften. Wasser, freundliche und begeisterte Menschen, so wie traumhaft schöne Aussichten unterwegs, waren jedoch keine Mangelware und haben dieses schöne Abenteuer abgerundet. Nach über einer Stunde vergeblichen Wartens auf den Bus zurück nach Dili stoppen wir einen kleinen Laster, welcher komplett mit Kleidung beladen ist. Auf dieser dösen wir genüsslich vor uns hin, während uns der Fahrer zurück in die Hauptstadt chauffiert. Ein perfekter Ausflug, der die perfekte Belohnung für die gewählte Tour mit beinhaltete.
Einen Schritt zurück – Atauro Island
Früh sitzen wir auf dem Schnellboot und gleiten über die Wellen, als im Hintergrund die Konturen der Hauptinsel im Dunst verschwinden und vor uns die kleine Schwester Atauro auftaucht. 1 Stunde und 15 Minuten dauert die Überfahrt. Jeder will ein Stückchen des schmackhaften Touristenkuchen und so erfahren wir auch erst auf der Insel von der deutlich preiswerteren Fähre und dem Dragonboat, welche an allen Wochentagen außer dienstags und mittwochs, eine verlässliche Verbindung zwischen diesen beiden Eilanden für kleines Geld (ca 15 Dollar) bereit halten.
Die Insel gefällt uns sehr gut. Sie ist recht überschaubar und man bekommt schnell den Eindruck, als wenn jemand den Uhrzeiger noch fester hält um ihn am weiteren Fortschritt zu hindern. Es gibt praktisch keinen Verkehr und alles wirkt so verschlafen wie die Menschen vor ihren Hütten. Am Hafen gibt es einen kleinen Markt, auf dem getrocknete, weniger getrocknete Fische und andere Lebensmittel zum Verkauf angeboten werden.
Für die Bleibe wurde uns das Hotel oberhalb der Bucht von Beloi empfohlen, da es dort weniger der sonst zahlreich vorhandenen recht gefräßigen Moskitos geben soll. Das Hotel sieht gut aus und deren Preisvorstellung für die Übernachtung orientierte sich wohl eher an den pendants aus mitteleuropäischen Metropolen. Honoriert wurde das damit, dass wir in der Nacht die einzigen Gäste waren und am Abend das Buffet direkt vor unseren Tellern aufgebaut wurde. Auch die sehr schöne Bar und die Aussicht bei Schirmchengetränken am Abend haben es nicht geschafft uns am Wechsel in eine andere sehr schöne Unterkunft direkt am Meer zu hindern. Betreut wurde das Hotel von 3 Leuten, die möglicherweise schon mal etwas von englisch gehört haben, aber sprechen konnte nur einer von ihnen wenige Worte. Sein liebstes war sorry, was er in einer Zahl benutzte, die ich sicher nicht mehr in der Grundschule kennengelernt habe. Der Umstand eines sich schnell leerenden Geldbeutels, gepaart mit der Tatsache, dass keiner die darin zahlreich vorhandenen alten 50 Dollar Noten akzeptiert, sondern nur deren Neuauflage, ist auf einer Insel ohne Bank und Geldautomaten schon etwas ungünstig. Daher versuchten wir diese bei der Begleichung unserer Hotelrechnung, geschickt mit einfließen zu lassen. Fast hätte das auch geklappt, wenn der Chef der 3 nicht in vorausschauender Weise einen der alten Scheine an irgendeinen Schrank geklebt hätte. Ich stelle es mir so vor wie diese Bilder in denen man die 10 Fehler finden muss, wie die 3 davor gestanden haben um die Scheine zu vergleichen. Auf jeden Fall kamen Sie uns mit dem Schein, samt der zu Befestigungszwecken daran befindlichen Klebestreifen, bis zum Hafen hinterher gelaufen. Dabei wurde uns der Schein wie ein Fund einer seltenen Briefmarke in Großvaters alter Sammlung präsentiert und so lange gebettelt, bis wir die Scheine in von ihrem Chef akzeptierte Exemplare tauschen. Ich will mir nicht vorstellen, welche Repressalien wir denen grad erspart haben.
Die Zeit auf der Insel verfliegt nur so. Ein paar Tauchgänge an atemberaubenden steil abfallenden Korallenwänden und eine lange Wanderung bis auf die andere Seite der Insel später geht es wieder zurück nach Dili. Dieses Mal, mit dem Dragonboat.
Das war also das Abenteuer Timor Leste. Ein traumhaftes Land, unglaublich freundliche Menschen fern ab der ausgetretenen Touristen Pfade. Mal sehen, wie lange dieser Spirit noch durch die Arterien dieses Landes pulsiert.
Abzüge in der B Note
Als kleine Zugabe möchte ich noch ein paar Eindrücke, Informationen welche ich bei meinen Recherchen erhalten habe und Geschichten, die uns erzählt wurden preisgeben. Wer sich den zuvor erlangten durchweg positiven Eindruck nicht durch einen leicht seltsamen Beigeschmack veredeln möchte, kann diesen Absatz gern überspringen.
Als erstes ist es sehr auffällig wie viel Müll überall herumliegt. Mit einer Selbstverständlichkeit die ihres gleichen sucht, werfen die Menschen mit Plastikflaschen und einer großen Palette an weiterem Unrat nur so um sich. Kaum ist eine dieser Umverpackungen vom Objekt der Begierde befreit fliegt diese auch schon auf direktem Wege in die Umgebung. Am Strand, auf den Straßen, einfach überall liegen endlose Mengen dieses Giftes herum. Die Häuser werden akribisch täglich gesäubert, aber der Müll liegt förmlich direkt vor der Haustür. Und auch als wenn Hänsel und Gretel aus ihren Fehlern gelernt hätten und nun statt Brotkrumen Plastikmüll nutzen würden, zog sich eine endlose Spur bis auf den Gipfel des Rammelau.
Als besonders interessant hat sich mir auch eine Geschichte zur Historie des Landes eingeprägt. Wie ein vernarbter Körper hat sein Besitzer so einige Erlebnisse zu diesen preiszugeben. Als einstige Kolonie Portugals, wurde die Kolonialmacht im 2. Weltkrieg kurzfristig durch die Niederländer abgelöst, die wiederum dem Druck der Japaner nicht lange genug Stand halten konnten. Nach Kriegsende fiel das Land zurück an den einstigen Kolonialherren. Dieser hat sich schließlich 1974 von seinem Außenposten in tropischen Gefilden getrennt. Warum also so viel Aufsehen, um ein Land, welches eigentlich nicht viel außer schöne Natur zu bieten hat? Zum einen ist es sicher die exponierte Lage im Vorgarten von Australien, zumal in diesem auch noch 1974 ein riesiges Öl und Gasfeld gefunden wurde. Wer als Kind schon einmal versucht hat Mama und Papa mit der gleichen Frage gegeneinander auszuspielen, wird verstehen, dass das australische Explorationsunternehmen seinen Fund erst 2 Jahre später publik gemacht hat, was somit nach der Unabhängigkeit dieses jungen Landes war. Davon versprach sich sicher niemand einen Verhandlungsvorteil, zumal 90 % des Bodenschatzes in den eigentlichen Gewässern von Timor liegen. Letztlich hat Australien das bis vor wenige Jahre andauernde Tauziehen um diesen Schatz verloren. Nun geht der Streit in die zweite Instanz, da es darum geht, ob im Land, bei völlig ungebildeter Bevölkerung der kostenintensive Bau einer Raffinerie sinnvoll ist, oder man lieber die Roherzeugnisse zur Veredlung auf den 5 Kontinent verschifft. Als wenn das nicht schön kompliziert genug ist, ein paar Details fehlen noch. Eine große amerikanische Firma hat sich die alleinigen Förderrechte gesichert und das Land der Mitte mischt sich nun auch noch in die Diskussionen ein, indem es anbietet die Raffinerie im Land zu bauen. Das Ganze hat schon so Potential für eine Hollywood Verfilmung. Kommen wir mal auf die Frage aller Fragen zu sprechen. Warum sind die meisten Länder mit Ölvorkommen so reich und dieses hier, augenscheinlich so arm? Wo bleibt das ganze Geld? Es fließt in einen in den USA beheimateten Fonds, wer daran jedoch beteiligt ist, ist nicht klar zusagen, aber es müssen die richtigen Leute sein, um ein solches Konstrukt aufrecht zu erhalten. Immerhin hat es die Regierung geschafft 1 Million Dollar für den Bau von neuen Straßen daraus loszueisen. Das würde erklären, warum das ganze Land eine einzige Straßenbaustelle ist.
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Wolf (Donnerstag, 21 Juni 2018 16:24)
hallo Dennis, hast mal wieder mit Deiner Art zu schreiben die Darstellung sehr lebendig übermittelt. Bis bald am Telefon. (Hinweis am Rande: Der Button "weiter lesen" auf der Hauptseite funktioniert nicht.)