Bevor Ihr Euch der Lektüre unserer neuesten Impressionen widmet, könntet Ihr zwecks Intensivierung des Mitreiseerlebnisses eine Grundstimmung für eure Sinne herbeiführen, indem Ihr ein paar orientalische Gewürze aus dem Küchenschrank holt, diese auf dem Tisch verteilt und den Staub von Eurer Ausgabe von 1001 Nacht blast. Schlagen wir das Werk auf und tauchen gemeinsam in diese ferne bezaubernde Welt ein.
Früh morgens, weit vor dem Sonnenaufgang um 3 Uhr steigen wir aus unserem persönlichen Orientexpress, der uns in die Nähe der usbekischen Grenze befördert hat. Nach einer kurzen Vorbereitung steigen wir auf die Räder und radeln los. Schnell blinzelt der Hitze spendende Feuerball über den Horizont und traut sich schneller als erhofft aus seinem Versteck, um mit seinem Tageswerk zu beginnen. Immerhin war das Tageswerk so erfolgreich, dass es in der Spitze bis 46 Grad im Schatten heiß wurde und wir das Gefühl hatten, Teeblätter direkt in unsere Trinkflaschen füllen zu können ohne das Wasser vorher noch mit fossilen Brennstoffen dem Siedepunkt näher bringen zu müssen. Es ist schon erstaunlich zu welchen Leistungen unsere Körper so in der Lage sind, wenn wir mal unseren Komfortkokon verlassen und ähnlich wie in unserer Kindheit unsere Grenzen austesten.
Die auf den ersten Kilometern zu durchquerende Steppe mündet recht bald in eine schier grenzenlose Oase, die von Bächen und Kanälen durchzogen ist, um die umliegenden Felder in ein sattes Grün zu tauchen. Das Gebiet ist recht gut besiedelt und veranlasst uns mit einer gewissen Grundhöflichkeit ausgestatteten Nomaden das sesshafte Volk um Erlaubnis zu fragen unsere mobile Jurte für eine Nacht auf einer Wiese bei einem Haus aufzustellen. Dieser Wunsch wurde uns unter vehementem Protest verwehrt und alternativ ein Matratzenlager im Haus mit Einladung zum Abendessen und Nutzung der Dusche angeboten. Diese bestand aus einem Eimer frischem Brunnenwasser und einer kleinen Kelle, mitten in einem karg geschmückten Raum mit rostigem Holzofen und einem ramponierten Holzgitter welches unsere Füße dem Abfluss fern halten sollte. Wenn man sieht, in welcher Einfachheit die Menschen hier täglich leben, was in diesem Falle nicht einmal etwas mit Armut zu tun hatte, dann fangen wir schon an über den Fußabdruck nachzudenken, den unser Lebensstil mit unseren westlichen Annehmlichkeiten auf diesem Planeten so hinterlässt und wie es diesem Planeten ergeht, wenn jeder unserem Lebensstil frönt.
Nach zwei Tagen erreichen wir Bukhara, einen wichtigen Knotenpunkt im historischen Handelsstraßengeflecht. Überall stehen noch imposante steinerne Zeitzeugen, die euch in den 1001 Geschichten aus dem bereits erwähnten Buch visualisiert werden. Riesige Moscheen und Medressas, die aufwändig von in Blautönen gehaltenen endlosen Fliesenmosaiken geziert sind. An allen Ecken wird buntes Porzellan, Teppiche und allerlei mehr zum Kauf angeboten, bunte Seidentücher wehen im Wind und spenden Schatten beim Genuss von Tees und allerlei Köstlichkeiten. Die von uns gewählte Art zu reisen gewährt uns nach unserem Empfinden einen recht lebendigen Eindruck davon, wie sich die Menschen gefühlt haben müssen, wenn sie nach einer energiezehrenden Reise diese Kräftetankstelle erreichten, um sich für die Weiterreise zu wappnen. Ähnlich haben wir es gemacht. Nach zwei (ent-) spannenden Tagen geht es weiter nach Samarkand.
Den Tagestemperaturen geschuldet brechen wir regelmäßigem kurz nach 4 auf, um noch lange die Kühle der täglichen Sonnenfinsternis zu genießen und anschließend ein nettes schattiges Plätzchen für eine ausgedehnte Mittagsruhe aufzusuchen. Nahezu schnurgerade verläuft unser Weg durch endlose Steppe in der uns eine kräftige und dazu brüllend heiße Brise das Vorankommen erschwert. Ich hatte mir bisher unter Sonnenwinden etwas anderes vorgestellt, aber diese scheinen uns hier eindeutig mit ihren Feuerzungen entgegenzuschlagen und mit einiger Kraft an uns zu zerren.
Samarkand ist seinem zuvor von uns besuchten Geschwisterchen recht ähnlich und die direkten Verwandschaftsverhältnisse zu ihrem emsigen Schöpfer kaum zu verkennen. Auch hier gibt es viele imposante und pompös verzierte Bauten, die von einstigem Ruhm, Reichtum und Bedeutung des Feldherren zeugen, dessen Geltungsbedürfnis und Erfolg auf dem Schlachtfeld diese Bauwerke symbolisieren.
Insgesamt war der Besuch dieser historischen Stätten sehr beeindruckend und hat sich sehr gelohnt. Was wäre jedoch eine derartige Zusammenstellung meiner gedanklichen Ergüsse ohne meine gewohnt deutsch-kritischen Ausführungen? Ich will euch nicht enttäuschen und füge daher noch etwas hinzu. Fangen wir mal wieder mit meinem Allergieproblem mit diversen Kunststofferzeugnissen an. Außer in den beiden von uns besuchten größeren Städten ist es nahezu unmöglich Müll geregelt zu entsorgen. Es gibt selbst nach intensiver Suche keine Mülleimer. Die Einheimischen halten uns schon für verwirrt, weil wir nicht sehen, dass man den Müll doch auch einfach in den Straßengraben werfen kann. In Ortschaften wird das dann morgens wieder mühevoll zusammengekehrt und geregelt entsorgt. Eine entsprechende olfaktorische Note ist jedoch nicht zu verleugnen. Allgemein spielt der Natur der glückliche Zufall in die Karten, dass auch ohne Mehrwegpfandsystem, hier einige Flaschensammler unterwegs sind, da es augenscheinlich inzwischen mit Altplastik den einen oder anderen Cent zu verdienen gibt. Trotzdem treiben bei unserem abendlichen Campingidyll mehr Dinge auf dem Fluss an uns vorbei als man sich das vorstellen vermag.
Mich erreichte nach dem verfassen des Artikels Wartistan die Frage, ob die Einheimischen auch warten müssen. Die Frage muss ich ganz klar mit Jein beantworten. Schlangen gibt es auch hier überall, aber man stelle sich beispielsweise einen Ticketschalter mit einem kleinen DinA4 großen Fenster vor, an das sich aus allen Richtungen Leute herandrängen. Das Ganze erinnert etwas an die Szenen von Hilfskonvois die mit Nahrungsmitteln in Krisengebiete kommen. Man glaubt nicht wieviele Arme durch so ein Fenster passen um Geldscheine hineinzuhalten um bei der nächsten Ausschüttung von Tickets möglicherweise bedacht zu werden. Durchbrochen wird das Ganze dann noch von Frauen die mit gequält traurig dreinblickenden Kindern sich durch die Menge quetschen und meinen, dass sie durch die Leistung die sie beim Gebären ihrer Leibesfrucht erbracht haben, für immer nicht mehr anstehen müssen. Eine echte Geduldsprobe für unsere durch Herrn Knigge geschulten Denkapparate, aber auch eine vergnügliche Genugtuung, wenn wir als Touristen erkannt, damit bevorzugt behandelt und an der drängelnden Meute vorbei gelotst werden.
Ich hoffe ihr habt beim Lesen unserer Reiseimpressionen derart viel Spaß, wie wir beim Erleben, denn so viel ist sicher, die Reise ist bisher traumhaft schön und die Eindrücke unfassbar vielfältig. Bis bald zum nächsten Bericht.
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Steffen (Donnerstag, 25 Juli 2019 07:10)
Hallo Ihr Beiden,
und wieder ein sehr spannender Reisebericht von Euch, der uns hautnah mitnimmt auf die Reise � Die Räder scheinen ja zu halten, zumindest habe ich noch nichts von gebrochenen Speichen, Ketten oder gar Rahmen gelesen ...
Fühlt Euch gedrückt!
Ines, Steffen & Little–Mo
Heiko (Donnerstag, 25 Juli 2019 16:59)
Moin Ihr beiden
was für ein großartiger Bericht ! Aber wieviel großartiger müssen Eure Eindrücke sein !
Ich lese Eure Berichte mit großer Begeisterung und freue mich auf jeden neuen Bericht �
Ich wünsche Euch weiterhin eine phantastische Zeit, jede Menge neue Eindrücke und alles Liebe �
Viele Grüße und bis bald
Heiko
Christiane und Wolf (Sonntag, 28 Juli 2019 17:49)
hi, Eure Art zu schreiben lässt uns dabei sein - es ist viel mehr als eine "Art Bericht". Der Text vermittelt Nähe zu Euch und eine unglaubliche Detailtiefe.
Lieben Gruß
Wolf
Manfred und Ilka (Mittwoch, 31 Juli 2019 18:13)
Hallo Ihr Beiden,
es macht einfach gute Laune Euren Bericht zu lesen und lässt uns wieder eintauchen in das Land. Wir wünschen Euch weiterhin eine gute Reise und freuen uns schon auf den nächsten Bericht. Liebe Grüße