Von Honkeys und Donkeys in Usbekistan

„Dream of Californication“ - Es ist wieder 4 Uhr in der Früh und wir werden in inzwischen gewohnter Manier von den Red Hot Chillipeppers daran erinnert, dass es Zeit ist den einen Traum zu verlassen und den anderen weiter zu leben. Es ist noch dunkel und über unserer mobilen Behausung funkeln die Diamanten am Firmament während wir unsere Sachen packen und weiter unserem seidenen Faden durch die endlosen Weiten von Usbekistan folgen.


Pläne sind dafür gemacht um den Gegebenheiten angepasst zu werden. Auf dem Weg zur Grenze von Tajikistan haben wir im Morgengrauen ein Foto von einem schier endlosen Wald aus Strommasten in höchst kitschigem morgendlichen Farbgewand geschossen und uns damit erstmal Ärger mit dem Militär eingefangen. Der beste Ärger ist der, den man aus einer Mischung von nicht können und wollen, nicht versteht und so dürfen wir trotz vorherigem Verbot auf der Straße weiter radeln, obwohl diese direkt auf der Grenze verläuft und das hier für Touristen Tabu zu sein scheint. Das Foto mussten wir jedoch löschen, was im Vergleich zu einem 20 km Umweg doch vertretbar erscheint.


An der eigentlichen Grenzstation lässt sich dann der Weg zurück auf „Los“ ohne Einzug von extra Einkünften leider nicht mehr vermeiden. Ein emsiger Grenzbeamter erkennt, dass die Farbe unseres Passes von dem ihm vertrauten Grün oder Blau abweicht und will uns nicht passieren lassen. Nur die grünen oder blauen Pässe der Einheimischen können hier den wenig kreativen Tintenabdruck erhalten. Rote Pässe hingegen müssen zu dem Grenzübergang 39 km weiter nördlich. Auch das einfache Einmaleins, dass dies für uns knapp 80 km Umweg bedeutet, erweicht sein uniformiertes Herz in keinster Weise.


Ihr alle kennt die Zahlen, die uns auf allerlei Lebensmitteln einen Hinweis darauf geben, wie lange wir noch warten dürfen, um im Laden einen Ersatz zu beschaffen. Im Falle unseres Visums für Tajikistan wurde uns jedoch das "genießbar ab Datum" zum Verhängnis. Nach unserer ursprünglichen Planung, der wir aktuell durch glücklicherweise ausgesprochen wenig Zwischenfälle voraus sind, wären wir erst in einigen Tagen dort angekommen, wo wir nun standen. Es ist schon erstaunlich wie viele Menschen ein Stück Papier mobilisiert, auf dem ein Datum in 4 Tagen abgedruckt ist. Es glich ein wenig einem Stück Marmeladenbrot, über das sich auf unserem sommerlich gedeckten Frühstückstisch die Wespen hermachen. Am Ende waren wir eine ganze Reihe von Vorschlägen reicher, die von 4 Tage an der Grenze warten bis zu ruft den Konsul an (nützliche Nebeninformation: beim Tatzeitpunkt handelte es sich um einen Samstag mit bereits extrem flachem Einstrahlungswinkel der treuen Lichtquelle am Firmament). Wir haben uns für die Variante Zelt in der Nähe aufschlagen und am nächsten Tag einen weiteren Umweg von 150 km durch die Berge entschieden.


Ohrwurm durch den Wecker einpflanzen lassen und über die Vorkommnisse des Vortages schmunzeln, so radeln wir los und in der uns so vertrauten flachen Ebene rücken von beiden Seiten die Hügel näher, wie die beiden Seiten der Jacke wenn wir den Reißverschluss zuziehen. So verjüngt sich das Tal zunehmend bis irgendwann nicht einmal mehr ein Fluss Platz findet. In einem schweißtreibenden Kraftakt Schrauben wir uns die 4 letzten Serpentinen hoch in Richtung des, die letzten Höhenmeter vermeidenden, Tunnels. Wie bei einer Bergankunft, der bereits beschriebenen Frankreich Rundfahrt, stehen wir beiden am Ende oben und blicken stolz auf unser Tageswerk. 2150 Meter Höhendifferenz liegen zwischen den sandigen Ufern unserer Weltmeere und dem Punkt an dem wir in diesem Moment in die Ferne blicken, 1500 davon haben wir allein an diesem Tag erklommen. Stolz sitzen wir wieder auf und befinden uns schon bald in einer rauschenden Abfahrt. Insgesamt geben wir die gewonnene Höhe gern in einem Tausch mit 45 spielenden Kilometern wieder her. Es ist schon ein lustiges Gefühl selbst die schweren Warentransporter, die sich fast so schnaufend und stöhnend wie wir den Berg hoch geschoben haben, auf dem Weg nach unten wieder zu überholen.


Lustig war dabei auch, wie immer wieder Leute neben mir herfuhren, ohne dabei viel Rücksicht auf den nachfolgenden Autoverkehr zu nehmen, um mit mir einen kleinen Plausch durch das weit geöffnete Beifahrerfenster zu führen. Kennt ihr diesen nicht nachvollziehbaren Reflex von Menschen, treffsicher dort hin zu fahren, wo sie gerade hinschauen? Gerade trifft es auf jeden Fall nicht unbedingt, wenn die Leute durch das rechte Fenster ihrer motorisierten Fortbewegungsmöglichkeit blicken. Bei Geschwindigkeiten um die 50 Kilometer pro Stunde, war ich über derart Fahrbahn verengende Gespräche nicht sonderlich erpicht. Am interessantesten war die Begegnung mit einen Steuermann eines LKWs, der mich in einer anderen Situation mit einem ohrenbetäubenden Hupen fast meinem ersten Herzschrittmacher näher gebracht hätte und mir auf dem ohnehin einer aufgebrochenen Tafel Schokolade gleichenden Straßenbelag sehr wenig Raum gelassen hat. Mal davon abgesehen, dass an diesem Tag ohnehin schon 219 Mal für oder wegen uns gehupt wurde, habe ich ihn als Dankeschön für die Kombination aus Lautstärke, Länge und Gefährdung durch seinen Annäherungsversuch mit einen „freundlichen“ Gruß eines uns allen bekannten Fußballers bedacht. Unfassbar, wie schnell so ein schweres Gefährt zum stehen kommen kann, ein Hämpfling wie in den besten Zeiten von Bruce Lee aus dem Führerhaus gesprungen kam, um einen Versuch zu wagen mir gegen den Kopf zu treten. Eine Mischung aus Vorahnung und Vorsicht hat dafür gesorgt, dass nichts passiert ist und ich bin mit vor Aufregung zitternden Händen und der Gewissheit, dass gewisse Gesten interkulturelle Verständigung ermöglichen, weitergeradelt. Möglicherweise hätte ich ihn über die Erkenntnis informieren sollen, die ein Hund  vor einigen Wochen gewonnen haben könnte: Blinde Wut gefährdet die Gesundheit. Als er uns erblickte rannte er laut kläffend über die gesamte Straße in Richtung unserer saftigen Waden, wie die auf ihr Handy starrenden Horden in den Innenstädten und wurde beim unachtsamen überqueren der Fahrbahn vom Gegenverkehr zerlegt bevor er sein Ziel erreichen konnte.


Genug des Salzes in zu wenig Suppe, ich möchte gern an der Stelle noch die Kurve bekommen und den Gesamteindruck wieder deutlich aufwerten, denn wir haben hier eine unbeschreiblich schöne ereignisreiche Zeit erlebt. Die Menschen sind hier einfach super freundlich und unsere Erlebnisse um Längen besser, als die zur allgemeinen Belustigung vorgetragenen Situationen. Wir mussten endlose Einladungen zum Tee, Melone essen, Übernachten und der Gleichen mehr ablehnen, weil wir sonst unserem Ziel kaum näher kommen und den Rest unserer Auszeit in Usbekistan verbringen würden. Was wir alles geschenkt bekommen, Wasser, Melonen, Wassermelonen, jeder will seinen Teil zu unserem Glück beitragen und selbst das vehementeste Nein wird nicht akzeptiert und schon stehen wir wieder mit einem Melonenbaby im Arm da. Wenn ich schon mal beim Thema bin, es ist unfassbar, welche Mengen dieser Früchte hier produziert werden. Es fahren zahllose Fahrzeuge an uns vorbei, die bis zum absoluten Maximum mit diesem Agrarerzeugnis beladen sind. Wohin das Auge blickt liegen Berge von Melonen und neben ihnen Menschen, die des nachts über ihren Schatz wachen. Manchmal wirkt es schon, als wenn sie zur Familie gehören. Die Menschen schlafen neben ihnen, fahren sie auf dem Rücksitz spazieren, tragen sie herum und schützen sie vor Sonne. Wenn hier mal nicht in alter Planwirtschaftsmanier am Bedarf vorbei produziert wird!? Am meisten bemitleide ich die Esel, die einen Karren, beladen mit diesen süßen Wasserspeichern und zwei fußfaulen stockschwingenden Antreibern ziehen müssen.


Nach ein paar wirklich spannenden und ereignisreichen Tagen stehen wir wieder vor einem uniformierten Wesen, dass unsere Pässe dieses Mal wohlwollender behandelt und schließen in voller Vorfreude auf die nächsten Zeilen das aktuelle Kapitel und blättern weiter zum nächsten Abenteuer. Bis bald aus Kirgistan.


Noch ein Hinweis in eigener Sache: Gern könnt Ihr Euch für den Newsletter anmelden, um einen kurzen Hinweis zu erhalten, wenn es hier etwas Neues gibt. Die Daten sind bei mir weitestgehend sicher und ich gebe sie nicht an zweite oder Dritte weiter. Also keine Scheu!

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Ines (Samstag, 03 August 2019 06:52)

    Hallo ihr zwei Abenteuer!
    Den Sound eures Weckers finde ich ausgesprochen gut gewählt! Ob ich bei den ganzen beschriebenen Erlebnissen überhaupt noch ruhig schlafen könnte, weiß ich nicht so recht...Die Story mit dem Militärkontakt, dem Killerhund und dem aufdringlichen LKW-Fahrer ist schon heftig und bei spontan zusätzlich zu bewältigenden 1.500m Höhendifferenz wegen einer falschen Ausweisfarbe würde mir die Reiselust ziemlich vergehen. Ihr seid echt tapfer!
    Die Geschichte mit den Melonen hingegen finde ich sehr lustig, zumal ich aktuell bestens nachempfinden kann wie es ist, permanent eine Melone mit sich rumzutragen �

    Passt gut auf euch auf in der weiten Ferne!

    Liebe Grüße. Ines

  • #2

    Gabi (Samstag, 03 August 2019 08:32)

    Ich finde das Foto klasse. Es vermittelt, alles, was die Geschichte erzählt. Die Herausforderung, die Spannung, die Vorfreude auf das Nächste, was die Strecke bieten wird und die Gefahren am Rand, die beachtet werden müssen, um den Weg weiter gehen bzw. fahren zu können. Und über allem die Sonne, die neugierig ist, was sie von den Menschen am neuen Tag zu sehen bekommt....................
    passt gut auf und habt weiterhin Spaß!!

  • #3

    Wolf (Samstag, 03 August 2019 15:57)

    Hi, wieder ein spannender Bericht. Hätten wir bei Eurem letzten Besuch daran gedacht, wir hätten Euch mit 2 grünen (alten) Pässen versorgt, zwar abgelaufen aber wenn man die falsch herum überreicht, kann man das UNGÜLTIG eigentlich nicht mehr entziffern. Passt auf Euch auf, Militär entwickelt manchmal eine Eigendynamik - alles schon erlebt, von mit MP fuchteln bis zur gemeinsamen Zigarette nach Autokontrolle. Lieben Gruß, Wolf