
Das Wochenende neigt sich dem Ende entgegen und die Gedanken kreisen im Orbit der Frage, warum die arbeitsfreie Zeit nur derart kurz und noch viel kurzweiliger ist. Montag hat einen faden Beigeschmack, Mittwoch ist Bergfest, Donnerstag der Vizefreitag und der Freitag selbst dann nur noch die Zugabe. Die Gebetsmühle dreht sich so lange in einer endlosen Geschwindigkeit, dass man sie auch Zentrifuge nennen könnte bis der Silberstreif am Horizont zu erahnen ist, Urlaub! In unserem Falle waren es nicht die hart beim Chef auf Knien errutschten 3 Wochen, sondern ganze 129 Tage fernab der Heimat. Es ist wahrer Luxus eingestehen zu können, dass es sich anfühlte als wenn jemand den Stecker aus der Zentrifuge gezogen hat und die restliche Bewegungsenergie langsam durch den wehenden Luftwiderstand reduziert wurde. Diese Reise war eine wahre Entschleunigung und eine unbeschreibliche Wohltat für Körper und Seele, obwohl wir unseren Körpern sicherlich auch einiges abverlangt haben.
Allabendlich schließen wir die Augen und entschwinden in die erholsame Welt der Träume. Plötzlich findet man sich in einer Szene wieder und weiß eigentlich nie wie man dort gelandet ist. Man sieht Dinge, die einen teilweise noch nach dem Aufwachen beschäftigen, andere bei denen man nach dem Aufwachen die Decke zurecht zupft und sich in der Hoffnung auf eine Fortsetzung der Geschichte nochmal umdreht. Manchmal öffnet man morgens die Augen und ist überrascht über die Vielfalt der verarbeiteten Eindrücke und die Vielfalt der abgelaufenen Kurzfilme. Ähnlich ist es bei dieser Reise, bei der wir die größten Herausforderungen und unterschiedlichsten Eindrücke vor allem gemeinsam erlebt und gemeistert haben.
Nach einem wunderbaren indischen Gericht im Flieger schließen wir abermals die Lider und wachen in einer völlig anderen Welt wieder auf. Krasser als der Sprung von Indien nach Neuseeland hätte es selbst nicht zwischen zwei nächtlichen Verarbeitungssequenzen sein können. Es fühlt sich an, als hätte jemand mit einer Schere die Schweiz aus Europa herausgeschnitten und mitten in den Pazifik verfrachtet. Damit sie nicht durch die tosende Brandung in die falsche Richtung gespült wird, wurde alles anständig mit feinen gelben Sandstränden und einigen eben so pittoresken Kiesvarianten fixiert. Hinzu kommt eine auffallend positiv ausgeprägte Umwelt- und Abfallpolitik. Es fühlt sich einfach alles so an, als wenn wir gerade Gewichte gestemmt hätten und in dem Moment wo die Muskeln vor Anstrengung brennen der erlösende Moment des Ablegens kommt.
Schon der Anflug und die Ankunft im wohl geordneten und liebevoll grün gegossenen Neuseeland sind ein Genuss. Der Taxifahrer, der schon peinlich berührt wirkt, als er zart die Hupe betätigen muss oder die Fahrzeuge, die halten, um Passanten, die die liebevoll auf die Straße gepinselten Streifen überqueren wollen, passieren zu lassen. Wir haben uns entschlossen einen kleinen Camper zu mieten und uns von ihm seine Heimat präsentieren zu lassen. Es ist sehr gemütlich und so tollen wir mit unserem Schneckenhaus gen Süden. Schon in der ersten Nacht wackeln zahlreiche Pinguine über unseren Stellplatz und bewachen ihren Nachwuchs. Weiter geht es entlang atemberaubender Küstenabschnitte, die von der Brandung geduldig bearbeitet werden und nach 2 verregneten Tagen genießen wir den sonst von Sonne seltenst heim gesuchten Milford Sound bei strahlendem Schein unseres Zentralgestirns. Wie ein riesiger Spiegel liegt das Wasser zwischen den Bergen. Auf den Felsen räkeln sich fotowirksam Robben und Wasserfälle tun was ihnen ihren Namen verliehen hat. Die Szene gleicht einem Bilderbuch. Als nächstes begeben wir uns zum Saisonabschluss des Wintersports nach Queenstown, können den lockenden Rufen der Berge nicht wiederstehen und schnallen uns die Bretter unter die Stiefel. Wenige Wochen vorher haben wir uns noch durch endlose Hitze in Usbekistan geschlagen und stehen nun hier auf Skiern und rutschen dem Tal entgegen. Abwechslungsreicher kann eine Reise kaum sein.
Bei weiterhin traumhaftem Wetter spazieren wir durch Küstenwälder, entlang karibischer Strände, passieren Gletscher und bestaunen seitenverkehrte Darstellungen der Landschaft in perfekt austarierten Wasseroberflächen. Unser Erkundungskalender ist prall gefüllt und wir genießen jeden Moment. Ein besonderes Highlight zierte sich zunächst und wir unternehmen einen zweiten Anlauf aus nördlicher Richtung um das berühmte Tongario Crossing zu unternehmen. Der erste Versuch wurde durch kräftigen Wind und andere fremdbestimmte Umstände verhindert. Kurz bevor wir den Ausgangspunkt der Wanderung erreichen, sucht uns erneut eine Schlechtwetterwarnung heim. So soll es dann sein, dass selbst bei meinem vierten Versuch diese Wanderung zu unternehmen keine Erfolgsmeldung zu vollziehen ist. Wir trösten uns indem wir ein Loch am Strand in den Sand buddeln und nicht den Kopf, sondern unsere gesamten Körper hinein stecken. Unter der Oberfläche wirken wärmende Kräfte aus dem Erdinneren, die das Wasser auf eine angenehme Badetemperatur erhitzen. Was ein Luxus so ein gratis Spa mit Schlammpackung. Wir beschließen unsere Kiwi Experience in Auckland auf einer vorgelagerten Insel bei Weinproben und gutem Essen und genießen dabei die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des hiesigen Frühlings um uns auf die heimatlichen Wintermonate vorzubereiten.
Kommen wir zur Rubrik Feldstudien. Ohne besondere Beobachtungsgabe fällt auf, dass Neuseeland nun anders als bei meinem letzten Besuch vor 7 Jahren eine ganze Reihe asiatischer, meist chinesischer Besucher hat. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass irgendwo stand, dass Rudelbusreisen nun out sind und jemand seinen Wohlstand nun am besten mit einem möglichst großen Wohnmobil und auf kurzen Spaziergängen durch die Natur zum Ausdruck bringen kann. Es ist schon amüsant das zu beobachten. Auf langen Wanderungen sind sie durchweg nicht anzutreffen, nur auf den kürzesten Austritten vom Parkplatz. Oft kehren sie bei größeren Rundwegen schon beim ersten Aussichtspunkt auf die Sehenswürdigkeit um und retten sich wieder in den Camper. Alles wirkt ähnlich gehetzt wie die vorherigen Busreisen nur nun individuell von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit transportiert. An den Toiletten sind anders als in Asien nun Hinweisschilder angebracht, dass bitte nur der Müll in die dafür vorgesehenen Behältnisse entsorgt werden soll, aber es Länder gibt, wo Toilettenpapier durchaus mit der Spülung des Keramikthrons kompatibel ist. Wo mein Kopf unweigerlich wieder anfängt sich zu schütteln ist, wenn ich dann an einer Toilette an einem Wanderweg mitten in der Natur sehe, dass ein Becher chinesischer Nudelsuppe in der Ecke liegt, weil am Loch im Boden steht, dass dort kein Müll entsorgt werden darf. Man muss sich da mal vor Augen halten, dass erfahrungsgemäß die gebildeteren Menschen eines Landes beruflich erfolgreicher sind und das Land verlassen um die Welt zu erkunden. Sie kommen in ein Land, in dem Umweltschutz und Sauberkeit nicht nur am Wortanfang groß geschrieben wird und verhalten sich dann so, dass sie ihren Unrat nicht bis zur nächsten geregelten Entsorgungsgelegenheit mit sich führen können, obwohl das Mitführen von Unrat samt Inhalt vorher durchaus im Rahmen des Machbaren lag. Zum Schmunzeln wiederum regt mich an zu beobachten, dass, wenn im Wetterbericht von Regen berichtet wird, sich die aktuelle Realität jedoch durchaus trockener gestaltet, die Türen der Wohnwagen aufschnellen und ein Gentleman bei anbrechender Dunkelheit seiner Angebeteten den Schirm auf dem Weg zum WC hält, obwohl es nicht regnet. Das Bild der nicht vorhandenen geistigen Flexibilität sich auf eine geänderte Situation einzustellen, welches wir unter anderem beim Ordern von Speisen in deren Heimat gewonnen haben, festigt sich auch in diesem völlig anderen Umfeld. Es ist gut, dass mehr und mehr Chinesen das Land verlassen und möglicherweise so ein neu entwickeltes Umweltbewusstsein mit in die Heimat tragen und es dort im reichhaltig gesättigten Nährboden schnell Früchte trägt.
Was eine Reise. 129 Tage haben wir unsere Wohnungstür in der Heimat nicht aufgeschlossen, in der Zeit Wüsten, Gletscher, Dschungel und traumhafte Strände besucht. Rund 3500 Kilometer haben wir unser Gepäck wie Schnecken über Berge geschleppt oder auf unseren Zweirädern geradelt. Die höchsten Passstraßen der Welt waren dabei genauso wenig ein Hindernis wie eine Thempraturamplitude von etwa 72 Grad
(-12 bis + 50) - gemessen in schattigen Verhältnissen. Die Temperaturen und Eindrücke haben sich tief eingebrannt. Am Ende ist es wie immer, die Zeit kann noch so intensiv und lang gewesen sein, im Rückblick wirkt es wie die perfekte Zubereitung unseres Lieblingsgerichtes, das nie in ausreichender Menge auf dem Teller vorhanden ist und plötzlich der Moment kommt, wo selbst der letzte geduldig aufgesparte Bissen unsere Sinne passiert hat. Es bleibt wie immer die Möglichkeit zurückzukehren und erneut zu bestellen. Bis dahin genießen wir den Nachhall wie bei einem großartigen Wein und hoffen, dass er noch eine Weile anhält. Ihr lest bei der nächsten Bestellung großer Gerichte oder kleinerer Appetizer auf jeden Fall wieder von uns. Registriert euch gern für den Hinweisnewsletter. Danke für die Treue beim Lesen meiner geistigen Ergüsse und deren Verbreitung. Bis ganz bald zur Berichterstattung unter Zuhilfenahme von Gestik und Mimik.
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Wolf (Montag, 28 Oktober 2019 20:21)
Hi Meike und Dennis, was für ein Text und was für Erlebnisse auf dieser Reise. Beklemmende Situationen bleiben bei so einer Tour nicht aus. Wir haben bei manchem Bericht schon mal die Luft angehalten, schön dass das Glück immer wieder auf Eurer Seite war.
Lieben Gruß
Christiane und Wolf