97, 98, 99 Peaks of the Balkans

Inzwischen jährt sich zum zweiten Male, dass wir im Bardia Nationalpark auf der Lauer gelegen haben, um einen Blick auf die dort beheimateten Großkatzen zu erhaschen. Dabei haftete unser Blick fest am Horizont und immer wieder haben wir uns hoffnungsvoll von sich im Wind wiegenden Grasbüscheln in die Irre führen lassen. Geduldig harrten wir nicht enden wollende Stunden aus, um am Ende unverrichteter Dinge von dannen zu ziehen. 

Ähnlich fühlte sich der schier endlose hinter uns liegenden Winter an. Gebannt haben wir die letzten Monate auf statistische Erhebungen gestarrt, hoffnungsvoll auf die Bewegung der Kurven gelauert und darauf gehofft am Horizont eine Ziellinie zu erblicken. Anders als im Park war der Ausgang dieser Wartezeit hier von Erfolg gekrönt, denn der Winter wurde inzwischen von freundlichen Sonnenstrahlen vertrieben, wie die letzten Gäste in der Disko wenn am Ende der Nacht die Lichter eingeschaltet werden. Mit steigenden Temperaturen und einem damit im Einklang stehenden vermehrten aufkommen hoffnungsvoller Nachrichten, ist unser Vorhaben Albanien zu besuchen tatsächlich in die Praxis umsetzbar gewesen. 

Nun zunächst zu den Rahmendaten unseres inzwischen erfolgreich besiegelten Vorhabens. Im bereits benannten Zielland haben wir mit Unterstützung unseres ca. 15 Kilo wiegenden Marschgepäcks die Liste der von uns bereisten Länder um 3 erhöht und sind von Albanien über den Kosovo nach Montenegro und zurück nach Albanien gewandert. Peaks of the Balkans wurde das Unterfangen getauft, was uns in 10 Etappen über 210 km mit mehr als 9800 Höhenmetern durch die traumhafte Peripherie dieser Balkanstaaten geführt hat. 

Nach dem kurzen Flug, der glücklicherweise in keinem Verhältnis zu dem zeitraubenden von Stornierungen und Flugverschiebungen geschwängerten Buchungsprozess stand, finden wir uns in einer anderen Welt am Tiraner Flughafen wieder. Hier wird Normalität ganz offensichtlich schon wieder ohne C geschrieben. In der Ankunftshalle sieht es aus wie bei der Zielankunft bei der großen Frankreich-Rundfahrt. Ein riesen Getümmel aus Menschen die Schilder in die Höhe halten und einander nach erfolgreicher Familien- oder Anbieter-Klienten-Zusammenführung in den Armen liegen, oder sich zumindest die Hände reichen und das alles ohne die uns leider schon viel zu vertrauten Gesichtsbedeckungen. 

Es ist spät als wir das zuvor gebuchte Flughafenhotel erreichen und nach einer kurzen Nacht sitzen wir am Frühstückstisch und bekommen dort allerlei Köstlichkeiten von einem Kellner gereicht, der offensichtlich schon so lange keine Gäste gesehen hat, wie wir kein Hotel mehr betreten haben. Die von uns gewählte Unterkunft ist vor gerade mal einem Monat ans Netz gegangen und auch sehr schön, trotzdem habe ich der Behausung in typisch deutscher Mäkelmanier ausschließlich unsägliche 8,5 von 9 Punkten ausgestellt, was mir im Anschluss endlose Nachrichten mit der Bitte die Bewertung doch zu verändern eingebracht hat. Nach der 6. oder 7. Nachricht neige ich tatsächlich dazu dieser Bitte nachzukommen. 

Ausgangspunkt unseres Giro de Balkan ist das schöne Örtchen Theth. Stellen wir uns zunächst als Profil der Tour so einen liebevoll in einer dreieckigen Packung verwahrten Riegel Schweizer Schokolade vor. Dort reihen sich eine ganze Reihe schmackhafter Schokoladenhügel aneinander, die sich mit einiger Mühe im Mund mit unseren Sinnesnerven anfreunden und uns unweigerlich dazu bewegen, auch deren Nachbarn dem Schicksal ihrer Vorgänger auszusetzen. Ebenso war es auf der Tour, schon der Ausgangsort mit den umliegenden Bergen lässt schlagartig Erholung und Genuss für die Sinne aufkommen. Zu Beginn einer jeden Etappe gilt es zunächst, meist auf endlos steilen Wiesen, aus dem jeweiligen für die Übernachtung gewählten Tal einige hundert Höhenmeter zu traumhaften Aussichten, malerischen Bergseen, verlassenen und weniger verlassenen Dörfern und endlosen Blumenwiesen empor zu klimmen. Die Aussichten und das Bergpanorama sind gepaart mit der Herzlichkeit der Menschen ein wirkliches Vergnügen und lassen neben den am Abend oft schmerzenden Füßen so etwas wie pure Erholung aufkommen. Erstaunlich waren die teilweise noch in größeren Konzentrationen auftretenden Schneefelder im Wald oder an steilen Hängen, die es zu passieren galt. Einige davon waren so steil, dass ich Zweifel daran hatte, ob ich mich dort mit Ski unter den Füßen wohler gefühlt hätte. Nicht selten haben wir den Weg gesucht und das alles erinnerte an eine gigantische Schnitzeljagd, an deren Ende wir mit ein paar wunderbaren Mitsuchenden an einem Tisch sitzen und über die gemeinsamen Erlebnisse der letzten Tage sinnieren und diese mit ausgesprochen delikaten Leckerbissen und dem hier üblicherweise zu jeder Tageszeit verköstigbaren Raki zelebrieren.

Kommen wir zu guter Letzt zu einigen erlesenen Detailerlebnissen als Sahnehäubchen auf dem Erlebnis-Potpourri. Abgesehen von der ersten Etappe kann ich nicht behaupten, dass der Weg derzeit überlaufen ist. Einige Wenige haben sich dennoch der Tour gestellt und so sind wir beizeiten immer mal wieder den selben Leidensgenossen über den Pfad gelaufen. Was anfänglich mal mit ein paar flüchtigen Worten und gegenseitiges aushelfen bei fotografischen Herausforderungen begann, verstetigte sich mit der Zeit unter Zuhilfenahme einiger Kaltgetränke und vielen Geschichten zu einem Ausdauertraining für die Lachmuskeln aller Beteiligten unserer Schicksalsgemeinschaft. Die letzten Etappen haben wir dann in Batallionsstärke von 6-8 mehr oder weniger Fußkranken bestritten und bei ebenfalls mehr oder weniger üppigem Lunch gemeinsam die Beine für den folgenden Abstieg zur nächsten Unterkunft entspannt. 

Am Ende der letzten Etappe kehren wir in einer kleinen Bar ein, in der uns mit frischem Quellwasser gekühlte Getränke erwarten. Diese wohltuende Offerte lockt auch ein paar Tagestouristen an. Eine größere Gruppe mit ihrem Guide entpuppt sich als Sprachgenossen aus unserem südöstlichen Nachbarland. Wie so oft nach dem Verzehr von Köstlichkeiten kommt am Ende die Rechnung. Jeder wirft etwas von seinem Taschengeld in die Mitte des Tisches und der Guide zählt aufmerksam durch. Es fehlen 5 euro und die Klärung, wer nun noch etwas in den Ring werfen soll entartet in eine Diskussion, die der gleichen könnte, die um den Verlauf der Landesgrenzen mit den Nachbarstaaten geglichen haben könnte. Am Ende gibt der Guide auf und zahlt selbst das fehlende Geld ein. Peinlich ist eigentlich noch zu positiv für den Eindruck, den diese Gruppe dort zum Besten gegeben hat. 

Was mir noch besonders ins Auge fiel, ist wie fit die Menschen hier noch bis ins hohe Alter sind. Nicht selten haben wir schon betagte Erdenbürger gesehen, die noch immer zu Fuß die Berge erklommen haben und dafür nicht auf eine mit Akku oder mit fossilen Brennstoffen unterstützte Fortbewegungsmöglichkeit zurückgegriffen haben. Einen haben wir bei ca. 35 Grad im Schatten mit Jacke und Schirm bewaffnet auf dem Weg nach Montenegro getroffen, was zu dem Zeitpunkt in etwa einem Tagesmarsch eines durchschnittlich konstituierten Wanderers entsprach. Wolken oder ungemütliche Temperaturen waren zu der Zeit nicht absehbar, aber er scheint gern vorbereitet zu sein. 

Auch die Herzlichkeit der hiesigen Menschen bedarf einer expliziten Erwähnung. Wir haben nicht ein Mal das Gefühl gehabt der Goldschatz aus der Ferne zu sein, der geplündert werden muss. Der Empfang war stets offen und warmherzig und jeder war versucht in seinem Wortschatz das eine oder andere Wort in unserer Muttersprache zu finden. Bei vielen waren wir erstaunt, wie viele Worte das doch waren. Einen Morgen spazieren wir los und treffen nach wenigen Kilometern auf einen Hirten, der seine Ziegen ins Trockene bringen will. Eine Weile parallelisieren sich unsere Wege und am Ende stehen wir an des Hirten Behausung und werden auf frischen Joghurt und Multivitaminsaft eingeladen. Dank oder eine Gegenleistung wird nicht erwartet, sondern dieser Mensch ist einfach glücklich uns ein Teil aus seinem bescheidenen Leben gegeben zu haben. Was ein schönes Erlebnis, auf dem Start in eine ebenso schöne Etappe.

Passend zum Sahnehäubchen möchte ich mich noch in wenigen Worten den hiesigen Gaumenfreuden widmen. Das Essen hier war einfach großartig. Bei einer derartigen Fülle an ausgesprochen delikaten Leckerbissen fiel das Aufhören schon oft schwer und nicht selten fühlte sich mein Magen ähnlich zum Bersten gefüllt an wie mein Impressionsspeicher nach der Reise. Mit diesem alle Vorstellungen übertreffenden Gesamteindruck beenden wir unseren Ausflug auf den Balkan und freuen uns darauf in der Heimat detaillierter unter Zuhilfenahme von Bildern zu berichten und mit Euch unsere mannigfaltigen Eindrücke zu teilen. In dem Sinne, viel Spaß beim Planen der eigenen Reisen und bis bald!



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