Tropisches Alcatraz

Jeder von uns kennt diese in Casinos aufgestellten Kisten mit einem Hebel daran, wo sich 3 Rollen nach vorheriger Fütterung in Bewegung setzten und sich manchmal Reihen ergeben, die wiederum einen Output erwirken. Ähnlich ergeht es meinem Denkapparat wenn ich so durch den Alltag wandle. Immer wieder nehme ich kleinere oder größere Impressionen auf, diese werden gemischt und es ergibt sich ein Output. An einigen dieser Outputs möchte ich mich hier gern auslassen.

Gesammelt habe ich auf der Insel Sal auf den Kapverden. Dort werden mit flugfähigen regelmäßig durchgeführten Gefangenentransporten, überwiegend mit einem roten Smiley auf dem Flügel gekennzeichnet, Menschen in riesige uniforme Beherbergungsbetriebe befördert um dort ihres, Bank und Urlaubs Kontos erleichtert zu werden. Man kann sich diese Bettenburgen kaum vorstellen. In Reihen stehen alles identisch aussehende Gebäude, die ohne Zweifel luxuriöser anmuten, aber mich trotzdem an Gefängnisblöcke erinnern in denen die Insassen Blockweise an die Futtertröge geführt werden, um die ohnehin oft schon von der Erdanziehung bearbeiteten Pfunde weiter zu nähren. Wie immer gibt es Ausnahmen, aber es kristallisiert sich ein Bild heraus, auch wenn einige Teile des Puzzles noch fehlen, bzw, nicht zu passen scheinen. Manchmal hat sich ja auch ein Teil aus einem anderen Karton in die Sammlung geschlichen und lässt sich so nicht verbauen. Vor dem Frühstück strömen die ersten Vorboten zu den vorher ausgeloteten Bänken am Strand um eine optimale Kombination zwischen Entfernung zur Bar, dem Buffetrestaurant und dem nächsten WLAN Verstärker zu erhaschen. So kommt es, dass selbst von meinem um 9:00 Uhr morgens bezogenen Beobachtungsposten kaum noch eine Bank auszumachen ist, die nicht mit einem Handtuch reserviert ist. Ich möchte an dieser Stelle, weil es uns immer wieder als deutsche Eigenschaft zugeschrieben wird, explizit darauf hinweisen, dass es bei meinen Beobachtungen keine Nationalitätenschwerpubkte in den Stichproben gab und ich das beobachtete Verhalten zu mindest als eine europäische Unart deklarieren kann. Lustig finde ich, was die Leute dann so alles mit zum Strand schleppen. Einige Vertreter haben wir jeden Tag auf der gleichen Bank beobachtet, wovon einige sogar übergroße Wäscheklammern dabei hatten, um ihre Reservierungssysteme an den Liegen zu befestigen und sicherzugehen, dass auch nach der Rückkehr vom Mittagsbuffet kein Windstoß eines Tiefdruckgebietes namens Dennis alles fortgeweht hat. Ob es nun die laue morgendliche Briese oder meine Gedanken sind, aber ich bekomme Gänsehaut, wenn ich mir vorstelle, was manche Menschen Urlaub nennen. Ich will mal versöhnliche erkenntliche Worte finden und denke, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Aufwachen, liege reservieren, Futter fassen, schlafen auf der zuvor reservierten Unterlage, erneutes stopfen, wieder schlafen oder lesen, erneute Fütterung, kurze Abendbelustigung, schlafen. Nach 14 Tagen daran denken das Verhalten wieder anzupassen und das Handtuch nicht an den Bürostuhl zu klammern bevor man in die Kaffeeküche geht. Selbstredend gibt es auch viele die Aktivitäten unternehmen oder sich sportlich ertüchtigen, aber ich beobachte auch exakt das beschriebene Verhalten, was mich wieder zu der Frage führt, was so der große Unterschied zum Gefängnis ist, außer natürlich das Komfortlevel und die Qualität der Verköstigung. 

Mein Eindruck wird zusätzlich gespeist von berichten einheimischer, wonach die lachende Reiseagentur ihre Lieferung Inhaftierter am Flughafen mit riesigen Reisebussen in Empfang nimmt, im Bus das am Flughafen eingesammelte Werbematerial der nicht vertrauenswürdigen Mitbewerber eingesammelt wird und noch ein paar Samen Angst in die fruchtbare Muttererde der Insassen gestreut werden. Bitte verlasst nach Möglichkeit abends nicht mehr das Hotel, das ist so unfassbar unsicher, geht bitte direkt an unsere Bar. Es wurden daraufhin von den Einheimischen Gespräche mit dem Veranstalter geführt, die eine gerechtere Verteilung des Kuchens bewirken soll, und nicht nur noch Krümel, die sich auf den Boden verirrt haben abfallen. Immerhin werden nun am Abschlussabend in Minitransporten die mutigsten Probanden in lokale Verköstigungsbetriebe mit lauter Musik verfrachtet, um nochmal richtig die gemeinsamen Erlebnisse zu feiern. Gut nebeneinander auf der Liege und ins Handy starren ist halt auch gemeinsam. 

Wenn wir schon mal beim Thema Angst sind widme ich mich mal dem zweiten Phänomen. Auf einem schönen Spaziergang sind wir unterwegs zu einer Bucht, in der Haie Ihr Jungtiere geparkt haben, um die in Sicherheit zu wiegen, während sie selbst auf Futtersuche gehen müssen. Unvorstellbar, dass man das in der Natur suchen muss. Dabei weht uns eine ordentliche Brise vom Meer her entgegen, die selbst das gesprochene Wort zwischen Sender und Empfänger verweht. Schon auf dem Weg überholen uns rund 20 Sandbuggys die aus dem Hotel ausgebüxt sind um für ca 200 Euro diese tolle Tour zu unternehmen. Kommen wir wieder zur Angst, da stehe ich so im Wasser, also im Meer und beobachte diese tollen Jungtiere und dann welche, die nicht mehr so ganz jung sind und aus dem Konvoi herauskrabbeln. Da stehen sie nun im Wind, im Meer, mit Maske im Gesicht und suchen ebenfalls die Haie. Was geht nur in einem Kopf vor in so einer Situation Maske zu tragen? Auf jeden Fall hat unsere heimische Regierung unter Unterstützung der Medien alles getan, um den Menschen Angst zu machen. Das merken wir eigentlich auch in fast jedem Gespräch, was wir sonst so mit Landsleuten führen. Besonders toll finde ich die jenigen der Gruppe, die sogar ihren Hund mitgebracht haben zu diesem Erlebnis, also Quad fahren und im Meer stehen um Haie zu beobachten. Wiederum Kopfschüttelnd mache ich mich auf den Rückweg und schaue noch der knatternden Karawane hinterher, wie sie in Reih und Glied, dem Guide hinterher fahren. Alle haben einen chicen Overall bekommen und ein Beduinen Tuch umgeschlungen, damit man ohne sich umzuziehen wieder, auf die wahrscheinlich noch reservierte Liege fallen kann. Was ein Geschäft, so ein Quad hat uns bei der Leihe rund 80 Euro pro Tag gekostet. Da streicht sich der Guide, oder wer auch immer also 120 Euro pro Person ein, und davon waren mehr als 40 dabei. Bravo das habt ihr super eingefädelt, ihr Füchse mit dem roten zwinkernden Auge, denen auch noch fast alle dieser gigantischen Bettenburgen gehören. Wie immer gehört auf Eis auch Sahne und Kirsche oben drauf, was dann im Flugzeug erledigt wird. Da haben wir den Premiutarif mit Snack und Getränk. Getränk ist ein Softdrink (ok), Snack eine winzige Laugenstange ohne jedweden Belag, nicht mal Butter gibt es. Wasser und Trockenes Brot, lasse ich mal als weiteres Indiz so stehen. Wir hätten ja ein kostenpflichtiges Menü bestellen können wenn wir anspruchsvolle Gaumen haben. Am liebsten hätte ich Probiert wie weit das Ding wohl bei den Geldmelkern der Reiseagentur in die Nase hinein passt. Gut, dass wir nur scharf auf den Direktflug waren und das alles mit reichlich Abstand beobachten können. Abgerundet wird das Ganze dann mit ausgiebigem Bordshopping, wo dann Großpackungen Glimmstängel verkauft werden, um den von außen sorgfältig gegerbten Körper auch von innen zu versiegeln. Irgendwie muss ich immer wieder an das Buch Momo von Michael Ende denken, wo die grauen Agenten den Menschen die Lebenszeit mit den zum Zeitpunkt der Entstehung der Geschichte bereits erfundenen Zeitfressern abluchsen und diese dann in Zigarren verpaffen. Ich befürchte leider, dass meine Studienteilnehmer so bereitwillig ihre Lebenszeit darbieten, dass die grauen Agenten, reichlich ausgeschriebene Stellen zur Unterstützung beim Paffen haben müssten. Das wird win Wettlauf mit der Zeit, denn auf Sal werden schon die letzten freien Bauplätze am Strand nachverdichtet. Zuversichtlich stimmt mich, dass wir aber auch immer wieder auf Momo‘s treffen. 

Also in diesem Sinne bis zur nächsten Reise, bleibt mir treu und wenn Euch die Texte gefallen, leitet sie weiter und meldet euch für den Newsletter an, der Euch informiert, wenn ich mal wieder in die Tasten gehauen habe. 

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