
Mit manchen Urlauben oder Ländern ist es wie mit einem persönlichen Lieblingsfilm. Andere können es kaum begreifen, warum man sich den Streifen derart oft zu Gemüte führen kann und man selbst ist überrascht, wie bei jeder Wiederholung noch neue Details zu Tage kommen, obwohl man hätte schwören können, dass man jede Szene nahezu besser sprechen könnte als die Hauptakteure. So ergeht es mir bei unserem Sommerreiseziel. Über 20 Mal habe ich die USA bereits in verschiedenen Intensitäten bereist. Immer wieder entdecke ich neue Facetten oder bin einfach froh einen Urlaubstag wie in der zweiten Heimat zu verbringen, da mancherorts selbst die C Promis unter den Sehenswürdigkeiten bereits abgearbeitet sind. Hat das Land noch das Zeug dazu meinen etwas exotischen Abenteuerhunger zu bedienen?
Nach einem absolut wolkenfreien Blick auf die eisbedeckte Landschaft von Neufundland gleiten wir eine gefühlte Ewigkeit über kreisrunde Flächen hinweg. Hier wird mit Wasser und reichlich chemischen Hilfsmitteln das Land zum Leuchten in einem saftigen Grün animiert, verbunden mit der Hoffnung, dass sie in Kürze eine reiche Ernte dafür offerieren. Das ist schon ein seltsamer Anblick diese endlose flache Ebene die in weiter Ferne am Horizont von einer imposanten Bergkette begrenzt wird, den Rocky Mountains. Dieses Mal endet unser Flug bereits in Denver und unser Weg führt uns zunächst in die entlegeneren Ecken des Nationalparks, den die Berge beherbergen. Kaum einer läuft viel weiter als 3-4 km vom Parkplatz weg in die Berge und so haben wir schnell Natur und Schnee bedeckte Wiesen für uns. Unzählige kleine Seen und Flüsse durchziehen das Land und überall grasen Elche und Rehe. Die Campingplätze im Park sind sehr schön angelegt und laden zu einem Gläschen Rotwein bei selbst kreierten Köstlichkeiten ein. Der Weg in das mondäne Aspen ist genau so imposant wie der Million Dollar Highway in die San Juan Mountains. Mitten in den Bergen hat sich ein wahrliches Outdoor Eldorado entwickelt und wir haben zwei der wenigen amerikanischen Klettersteige probiert. Diese verlaufen exponiert über Leitern, Tritte oder den blanken Fels durch ein enges Tal durch das am Grund ein munterer Fluss rauscht. Einige Stellen sind echt herausfordernd und an einer Stelle will mir der Aufstieg an einem steilen Felsen nicht gelingen. Mit eingehangener Rastschlinge lassen sich zwar die Arme etwas regenerieren, jedoch will der Karabiner das Seil nicht mehr loslassen. Nach dem Absturz bei meinem letzten Klettersteig vernebelt mir der Gedanke an die grelle OP-Lampe und die Nadel mit Faden ein wenig den Verstand. Tief durchatmen, sammeln und weiter, endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit löst sich der Karabiner und der Knoten in meinem Kopf. Der zweite Teil des Weges ist glücklicherweise eher ein Spaziergang in exponierter Lage. Auf der Plattform am Ende angekommen sind wir stolz die Herausforderung gemeistert und die beiden Wege in rund 5 Stunden am blanken Fels überstanden zu haben. Am Nachmittag besuchen wir noch die Old Houndred Goldmine. Es ist schon faszinierend welch einen Lärm die Arbeiter für wenige Gramm Gold auf sich genommen haben. In Summe waren die Berge wohl ausgesprochen in Geberlaune und haben die deutsche Niederlage im zweiten Weltkrieg finanziert, jedoch mussten dafür im wahrsten Sinne des Wortes Berge versetzt, bzw. gesprengt, zerkleinert und chemisch gewaschen werden. Eine sehr sehenswerte und anschauliche Geschichte, die wir in dem verschlafenen Goldgräber Städtchen bei einer Pizza und einem frisch gebrauten Bier beschließen.
Weiter geht es durch bisher nicht besuchte Teile des wilden Westen, zum Canyonlands Needles District, Monument Valley, Antelope Canyon, Horseshoe Bend und weiter zum Vater aller Canyons. Es ist schon seltsam was wir für Wetterkapriolen erlebt haben. Im
Canyonlands war es brütend heiß und auf unserer Wanderung haben wir kaum jemand anderes getroffen, der durch diese faszinierende Landschaft gestapft ist. Nachts auf dem Campingplatz waren außer uns keine anderen Touristen dort und wir hatten die ewige Weite, das Spektakel des Sonnenuntergangs und den nächtlichen unfassbaren Sternenhimmel ganz allein für uns. In Page auf dem Campingplatz wiederum kam am Abend mächtig Wind auf, der uns die halbe Nacht die halbe Wüste ins Zelt geblasen hat. Alles war voll mit feinem roten Sand, Nase, Mund, Isomatte. Manch einer mag für eine derartige Peeling-Behandlung Geld bezahlen, mich hat es von der geruhsamen Nachtruhe abgehalten. Am nächsten Tag dann besuchen wir den völlig von einem anderen Stern importierten Antelope Canyon. Was ein Spektakel von Farben und Licht aber auch eine touristische Massenabfertigung wie an der Essensausgabe eines allseits bekannten schwedischen Einrichtungshauses. Am
Nachmittag bricht ein Gewitter über die Landschaft herein, die ein Weiterfahren für einige Minuten unmöglich macht. Gut, dass wir nicht mehr in dem engen Canyon verweilen.
Das nächste Wetterextrem erwartet uns am Grand Canyon. Was eine gedankliche Achterbahnfahrt wir durchmachen, ob eine nahezu schattenlose Wanderung in einem Canyon, in dem 43 Grad herrschen, wirklich eine gute Idee ist. Am Ende machen wir uns, da wir über alle Maße hinweg für unsere Vernunft bekannt sind, natürlich auf den Weg und sind von der landschaftlichen Schönheit auf dem Abstieg über endlose Serpentinen nahezu genau so erschlagen, wie von den vorherrschenden Temperaturen. Gegen frühen Nachmittag erreichen wir das wohltuende kühlende Nass des Colorado und die an der dortigen Ranch verkaufte eiskalte Limonade. Bis auf den letzten Dollar tauschen wir unsere spärlichen Barreserven gegen das erfrischende Kaltgetränk ein. Wir hatten echt Glück, denn unser Portemonnaie hatten wir in einem Anflug von geistiger Umnachtung im Auto gelassen und daher nur wenige Dollar dabei und an Kartenzahlung war in diesem Winkel der Welt nicht zu denken. Immerhin gab es auf dem Weg immer wieder Stellen zum Zapfen von liebevoll und großzügig gechlortem Wasser und Speisen in ausreichender Menge aus unserem Rucksack. Um den steilsten Abschnitt der Wanderung nicht in der prallen Sonne laufen zu müssen, beschließen wir noch den halben Weg wieder zurück durch das Tal zu gehen. Völlig fertig sitzen wir schlussendlich am Zelt, löffeln ein Reisgericht und staunen selbst über die 39 Kilometer, die wir an dem Tag zurückgelegt haben. Es hat sich dennoch gelohnt. Die Landschaft war genauso atemberaubend wie der dortige Staub und die Hitze. Der Aufstieg am nächsten Morgen im Schatten war dann aber sehr angenehm und schnell erledigt. Ebenso den Atem geraubt hat mir die Klapperschlange auf die ich beinahe einen meiner ersten morgendlichen Schritte gesetzt hätte, der aber offensichtlich genau so das Herz in die Hose gerutscht ist, wie mir.
Die nächsten Tage entspannen wir nach den zahllosen Eindrücken am Pool in Las Vegas, schauen uns eine unfassbar imposante Inszenierung des Cirque du Soleil an und genießen die Tage auf dem Tandem in Los Angeles am Strand und die vielen Treffen mit einigen Leuten die wir weit ab der Heimat ins Herz geschlossen haben. Insbesondere Los Angeles has stolen our hearts - again!
Da wir jedoch auf der Suche nach Abenteuern und Herausforderungen sind, machen wir uns auf den Weg zurück in die Wildnis in den Yosemite Nationalpark. Glücklicherweise haben wir ein Permit für den Halfdome gewonnen und machen uns früh morgens auf den Weg, vorbei an Wasserfällen durch schöne Pinienwälder und stehen endlich vor dem nackten Felsrücken, der sich vor uns aufbäumt. An zwei Stahlseilen ziehen wir uns die letzten Meter zum Gipfel empor und sind von der Aussicht in das unter uns liegende Tal überwältigt. Weit vorn bewacht der Capitan den Eingang in das Valley und neben unseren Füßen fällt eine steile Felswand hunderte Meter zum Fuß des Berges ab. Wir entscheiden uns gegen diese Abkürzung und nehmen den vertrauten Weg zurück. 29 km später sitzen wir bei Pizza im Tal und belohnen unseren Körper für die abgelieferte Leistung. Am nächsten Tag steigen wir wieder in endlosen Serpentinen zum Glacier Point auf. Was eine Aussicht dort oben! Die folgende Wanderung über das Plateau eröffnet uns immer wieder neue Blickwinkel auf die atemberaubende Landschaft. Je weiter wir laufen, um so weniger Menschen treffen wir, bis uns ein paar aufgeregte Wanderer warnen, dass ein Bär sein Unwesen auf einem Baum direkt am Weg treibt. Ohne sein Treiben hätten wir ihn auch nicht entdeckt in seinem Versteck hoch oben auf einem Baum. Irgendwann wird ihm der Blick von oben zu langweilig und er überlegt sich, die, die unten stehen, mal aus der Nähe zu betrachten. Wie flott das behäbig wirkende Tier aus dem Baum absteigt ist echt beeindruckend. Unten angekommen beobachtet er uns einen Moment und trottet dann davon. Was ein Erlebnis diese Begegnung, mein erster Bär in freier Wildbahn. Begeistert schlendern wir weiter, hängen unsere Hängematten für die Nacht auf und genießen ein paar Nudeln in den letzten Sonnenstrahlen. Kaum sind diese auf dem Weg nach Osten, um dort wieder aufzugehen, wird es empfindlich kühl in der Höhe. Wir schlüpfen in den Schlafsack und müssen feststellen, dass dessen isolierende Wirkung beim Liegen in der Hängematte auf der Unterseite deutliches Ausbaupotential hat. Die Nacht tun wir beide kein Auge zu und schlottern sehnsüchtig den ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages entgegen. Ewig liegen wir wach bis es endlich am Horizont wieder hell wird. Wie lang so eine Nacht sein kann. Ein Abenteuer war es, erholsam kein Stück. Den Rest der Wanderung genießen wir dennoch und sind glücklich nach über 40 km endlich wieder am Auto zu stehen.
Nächster und letzter Stop nach der ganzen Freiheit ist San Francisco zum Independence Day. Uns wohl vertraute Gesichter aus heimischen Gefilden haben ihr Lager in der Stadt aufgeschlagen und so versuchen wir Traditionen aus der Heimat in die Neue zu transportieren. Bei herrlichem Wetter spazieren wir durch die Stadt und sitzen bei einem Glas Wein in der Sonne. Ungewöhnlich dabei ist, dass wir vor einem Café auf der Straße sitzen und das Glas ganz ohne braune Papiertüte in der Hand halten dürfen. Es scheint sich doch mal so langsam etwas die Fessel um das Land zu lösen. Mal sehen wie lange dieser Trend unter dem neuen alten Präsidenten sich wohl fortschreiben lässt. Das Thema Wein ist ein gelungener Brückenschlag zu unserem Besuch beim Godfather des Filmes, aber auch des Weines - Francis Ford Coppola. Das Weingut ist ein wahres Museum. Überall stehen Film Requisiten und Erinnerungen an vergangene Meisterwerke. Bei einem Tasting probieren wir uns durch weniger alte Meisterwerke und genießen ein sagenhaftes Dinner auf der Terrasse in der Sonne. Ein würdiger Abschluss eines überraschend anderen Roadtrips, der in verschiedenerlei Hinsicht unsere Erwartungen übertroffen und uns mal wieder unsere persönliche Leistungsfähigkeit vor Augen geführt hat.