
Während diese Zeilen aus meinen Fingern Rinnen, sitze ich an einem weißen Sandstrand mit Blick auf das paradiesisch türkisfarbene Wasser, was in unterschiedlicher Intensität mutig auf mich zurollt, um dann im letzten Moment doch wieder zurückzuweichen und wiederum einen neuen Anlauf zu wagen. Hinter mir liegen für einen Urlaub im Paradies untypisch anstrengende, aber auch unheimlich bereichernde Tage, zu denen ich im Folgenden meine gesammelten (gedanklichen) Werke teilen möchte.
Bei unserem letzten Besuch dieser Insel sind wir buchstäblich an allen Ecken, die außerhalb des peripheren Sichtfeldes der hiesigen Besucher liegen, über Müll gestolpert. Lobend lässt sich erwähnen, dass es eine geregelte Sammlung und Abfuhr von Unrat auf der Insel gibt, die täglich die aufgestellten Behältnisse leert. Damit hat es sich dann aber nahezu auch schon mit lobenden Worten. Der gesammelte Unrat wird dann auf einer alle Vorstellungen übertreffenden Halde südlich des Flughafens verfrachtet und manchmal angezündet, wenn überhaupt. Zu dem immensen Aufkommen von Müll wegen der Nutzung kleinster Verpackungsgrößen kommen unvorstellbare Mengen an Müll, die an der Nordküste durch den stetig wehenden Wind und den damit verbundenen Strömungen angeschwemmt werden. Zwei dieser Strände haben wir von seiner Patina befreit. Den ersten Strand haben wir besucht, weil es dort Haie geben soll, aber die sind lange vor dem Müllteppich im Wasser und der noch viel schlimmeren Situation an Land geflüchtet. In 3 schweißtreibenden Tagen haben wir den Strand von Unzähligen Oktopusfallen, Plastiflaschen und Fischernetzen befreit. Es sind über eine Tonne an Unrat zusammengekommen, die wir mit Hilfe der ortsansässigen Turtle-Foundation dann abtransportiert haben. Herzlichen Dank für die Unterstützung und den Einsatz! Erschreckend war, wie andere Touristen an den Strand kommen und dort ein Selfie aufnehmen, um dann ohne ein Wort zu uns zu sagen, wieder zu verschwinden. Lediglich eine Gruppe von vier Briten hat die Ärmel hochgekrempelt und für eine gute Stunde mit angepackt. Was mich daran dann aber unheimlich begeistert hat, war, wie oft sie wiederholt haben, wie sehr wir sie inspiriert haben. Schritt für Schritt, aber das war gut. Es ist schon zum schmunzeln, wenn man bedenkt wie unterschiedlich unsere und die Motive der meisten anderen die Insel besuchenden sind. Die meisten tauchen für 10 Tage in eine Scheinwelt ein und leben in ihrem Märchenschloss während sie abwechselnd einen perfekt hergerichteten Strandabschnitt betrachten oder ihren Blick auf einer Sonnenliege brutzelnd, ihrem Handy widmen.
Zwei Tage später haben wir gemeinsam mit Helfern der Turtle-Foundation einen weiteren Strand aufgeräumt. Hier sind durch eine größere Zahl helfender Hände 2 LKW Ladungen zusammengekommen, insgesamt gut 2,5 Tonnen Müll. Zwei kleine Schritte, die mit vielen weiteren Säcken gesammelten Mülls, sicher in die richtige Richtung gingen. Zum nachdenken war bei den endlosen Kniebeugen auf jeden Fall jede Menge Zeit.
Woran krankt es konkret? Drei wesentliche Punkte:
Warum landet der Müll überhaupt im
Meer?
Was kann sinnvollerweise mit dem Müll passieren, denn sammeln und verbrennen unter freiem Himmel erscheint wenig zielführend?
Wie kann das Bewusstsein von uns allen verändert werden, damit weniger Müll anfällt oder dieser nicht unachtsam weggeworfen wird?
Widme ich mich zunächst dem letzten Punkt, da er der einfachste und zugleich der schwierigste ist. Wir können alle unseren Beitrag leisten, sogar ohne uns dabei bücken zu müssen, oder erst hier her zu reisen. Halten wir uns zunächst vor Augen, dass in einer mehr oder weniger freien Marktwirtschaft, die Nachfrage das Angebot bestimmt. Warum kaufen wir winzige Stücke Schokolade verschiedenster Coulleur, die dann jeweils separat verpackt sind? Das Ganze wird dann ironischerweise „feiern“ genannt? Weingummi wird in ebenso winzige „kindgerechte“ Portionen verpackt und dann doch eher in erwachsenen Mengen vertilgt. Ich könnte endlos weiter machen, schwenke aber mal über zum Einkauf wirklicher Lebensmittel. Mal die gesamte Lieferkette betrachtend, wenn wir im Supermarkt auf Schnäppchenjagd gehen, wie soll ernsthaft bei den Margen der Frachtunternehmen und Endversorger in heimischen Gefilden, ein Fischer in Afrika noch etwas verdienen, wenn wir das Kilo Fischfilet für rund 10-15 Euro kaufen?
In einer Zeit, wo wir gewillt sind dem Staat alle Verantwortung für unser Fehlverhalten zu übertragen, scheint mein Ansatz nahezu revolutionär. Wir sind derart konditioniert, dass wir dem Staat die Verantwortung für alles übertragen wollen, damit er die Themen regelt. Verbot von Einwegplastik, sammeln achtlos weggeworfener Dinge, Strafen für illegale Entsorgung, Tempolimite, Mindestlohn und der gleichen mehr fordern wir. Wir sind dazu übergegangen darauf zu warten, dass jemand die Themen regelt, statt uns dann doch mal selbst zu bücken. Zugegebenermaßen sendet die Politik natürlich auch entsprechende Signale. Wir schaffen das! Aus dem Zusammenhang gerissen, aber sinnbildlich für die Politik und unsere Erwartung daran. Wir sollten nicht warten bis einer die Probleme regelt, sondern selbst anfangen uns zu hinterfragen und Dinge zu ändern, auch wenn das mit Verzicht oder Veränderung verbunden ist. Es muss ja nicht direkt ein Sprint sein, ein kleiner Schritt von jedem von uns genügt für den Anfang. Glaubt mir, der Schritt fühlt sich am Ende weniger unangenehm an, als erwartet.
Damit hätten wir den Punkt, warum der Müll im Meer landet auch schon angeschnitten. Einerseits ist es Alternativlosigkeit, andererseits aber auch eine Frage des Geldes. Wenn keiner meinen Müll aus der Fischerei annimmt, oder ich dafür zahlen soll, geht es halt versehentlich über Bord. Wenn der Unrat ohnehin an Land landet und dort aufwändig in endlosen Mengen gesammelt werden muss, ist eine geregelte Annahme, gegebenenfalls unter Einhaltung von Limiten sicher die bessere Variante. Darüber haben wir mit lokalen Ansprechpartnern gesprochen, die die Themen den offiziellen Stellen vortragen wollen, da deren Ideen in die gleiche Richtung gehen. 75 von 100 dessen was in den 7 Meeren landet ist Fischereiabfall. Wenn das so weiter geht, spielt die Erwärmung des Treibhauses welches wir zu Hause nennen auch keine wesentliche Rolle mehr. Ich finde es schon sehr traurig, dass aus Ego Problemen und ewiger nicht enden wollender Gier der Menschen, selbst die ersten zarten Schritte in die richtige Richtung wieder zurückgenommen werden. Dabei ist die angedachte Wiedereinführung von Plastiktrinkhalmen nur das lächerlichste Kapitel in dem unlustigen Buch der Menschheit. Schon erstaunlich, dass in der Regel die idiotischsten Einfälle von denen kommen, die deren Folgen am wenigsten zu spüren bekommen. Wir alle sollten unseren Einfluss nutzen und mit der unendlichen Macht unserer Konsum- und Entsorgungshaltung kleine Zeichen setzen, sodass idiotische Entscheidungen der Profitgeier wie ein Hauch vorbeiziehen. Noch ist es nicht zu spät, es gibt noch unberührte Schönheiten in der Natur zu entdecken. Lasst uns alle einen Beitrag leisten, dass unsere nachfolgenden Generationen auch noch in deren Genuss kommen. Drehen wir das Lied vom ewig gesteigerten Konsum zur Selbstdarstellung und Wohlstandsdemonstration, im Sinne der Ressourcen, doch etwas leiser und helfen so diesem Planeten weiterhin lebenswert zu sein. Wir werden in jedem Fall weitere gewonnene Ideen verfolgen und hoffen einige dieser Berge vielleicht doch versetzen zu können. Alles, um es den Gedanken vorwegzunehmen, natürlich um mein eigenes Fehlverhalten gegebenenfalls etwas auszubleichen, aber vielleicht lässt sich mit Mut und Träumerei ja wenigstens ein Stein bewegen. So viel zu meinen Gedanken, während ich den letzten Schluck aus der Einwegplastikflasche neben mir nehme.


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